BRING YOUR OWN CASE: Periostreaktion beim Hund

„Bring your own case“ ist ein besonderes Angebot der FRONTIER Kleintierspezialisten. Die beiden Gründer des Überweisungszentrums, Dr. Anna Adrian und Pieter Nelissen, bieten Kolleg:innen an, Spezialfälle aus der Praxis einzusenden, die dann mit den FRONTIER-Oberärzt:innen diskutiert werden. Besonders interessante Fälle werden dann jeden Monat in den Tierarztmagazinen KATZENMEDIZIN & HUNDERUNDEN veröffentlicht.

Liebes FRONTIER-Team!

Hier ein Röntgenbild der rechten Vordergliedmaße vom Hund Django (männlich, 9 Jahre alt). Dieser zeigt seit längerem eine allgemeine Schwäche und geschwollene Gliedmaßen. Was sind Ihre Differentialdiagnosen zu diesem Röntgenbild?

Dr. Anna Adrian, MS, DACVR antwortet:

Vielen Dank für die Zusendung dieses Röntgenbildes.

Entlang der gesamten sichtbaren Vordergliedmaßen ist eine multifokale, relativ gleichmäßige Knochenproliferation sichtbar. Diese setzen sich aus der "Palisading" Periostreaktion beim Hund (Bild 1, grüner Pfeilkopf) zusammen, welche an den Phalanges und lateral an der Ulnar erkennbar ist und perpendikulär zur Knochencortex wächst. Diese gehört zu den “kontinuierlichen” Periostreaktionen, die sich typischerweise bei langsamen Krankheitsprozessen entwickeln. Sie können benigne sein, bspw. bei der selbstlimitierenden craniomandibulären Osteopathie, welche vor allem beim jungen West Highland White, Cairn, Boston und weiteren Terriern beschrieben ist. Die typischen Lokalisationen sind jedoch die Mandibel, Bulla tympanica oder die Pars petrosa ossis temporalis.

Proximal ändert sich diese "Palisading" Proliferation in eine “Brush border” Periostreaktion(Bild 2, grüner Pfeil). Diese wächst ebenfalls perpendikulär zur Kortex und stellt ebenfalls eine “kontinuierliche” Periostreaktionen dar. Zum Vorschein kommt diese typischerweise bei anliegenden Weichteil-Entzündungen, akuter Osteomyelitis oder bei früher Neoplasie.

Medial an der Phalanx media der ersten Zehe und medial am distalen Radius besteht eine “glatte und solide” Profileration (Bild 3, grün gepunktete Pfeile). Diese gehört ebenfalls zu den “kontinuierlichen” Periostreaktionen und kommt beispielsweise bei chronischen milden Traumata oder Panosteitis vor.

Zusammenfassend bestehen in diesem Röntgenbild “Palisading”, “Brush border” und eine “glatte und solide” Proliferation, welche anhand der Lokalisation und der Klinik des Patienten hinweisend für eine hypertrophe pulmonale Osteopathie sind. Bei der hypertrophen pulmonalen Osteopathie (HPO) handelt es sich um Periostreaktionen, welche typischerweise distal an den Gliedmaßen beginnen und sich proximal bis zur Scapula bzw. zum Becken ausweiten kann. An den Zehen sind diese vor allem am abaxialen Rand der zweiten und fünften Phalanx sichtbar.

Neben der “Palisading”, “Brush border” und “glatte und solide” Proliferation kann auch die “lamellare” Proliferation auftreten. Diese periostalen Reaktionen sind am häufigsten sekundär bei einer Neoplasie beschrieben, im Sinne eines paraneoplastischen Syndroms. Die typische Lokalisation des Primärtumors oder der Metastase ist die Lunge. Jedoch ist die Entstehung der HPO auch in extrapulmonalen Neoplasien beschrieben, beispielsweise bei Harnblasen- oder Nierentumoren. Nicht-neoplastische Pathologien können ebenfalls die Entstehung der HPO verursachen. Dazu gehören unter anderem infektiöse/entzündliche Lungenerkrankungen, Dirofilariosen, oesophageale Spirocerca lupi Granulome und bakterielle Endokarditis. Periostreaktionen können durch pulmonale Shunts, vagale Nervenstimulationen, humorale Substanzen, welche von einer Neoplasie produziert werden sowie die Verklumpung von Megakaryozyten und Thrombozyten ausgelöst werden.

Eleonora D’Incecco, Resident des ECVDI, ergänzt:

Eine Erkrankung die ebenfalls ähnliche Periostreaktionen aufweist ist die Hepatozoonose. Hierbei entstehen Osteoproliferationen vermutlich aufgrund von humoralen Mechanismen. Der Unterschied zur hypertrophen pulmonalen Osteopathie ist die Lokalisation der Periostreaktion. Bei der Hepatozoonose befindet sich diese primär proximal an den Gliedmaßen, bei der HPO primär distal.

Ein weiterer Befund bei “Django” ist die irreguläre umliegende Weichteilschwellung, welche auf Ödeme zurückzuführen sind (Bild 4, gelbe Pfeile). Lateral des Tarsalgelenkes ist eine dichte Weichteilverschattung erkennbar, bei der es sich um einen zusätzlichen Gelenkserguss handeln kann (Bild 4, gelb gepunktete Linien).

Weiterführende Diagnostik

Zur weiterführenden Diagnostik wäre zur Identifikation der Primärursache (beispielsweise Neoplasie oder Inflammation/Infektion) ein Röntgen des Thorax und Ultraschall des Abdomens sinnvoll. In der Literatur ist beschrieben, dass bei Beseitigung der Primärursache die HPO reversibel sein kann, sofern keine fortschreitenden Metastasen bestehen.