Osteoarthritis beim Hund - medikamentalle Therapieoptionen

Früher oder später trifft es leider ca. 15-20% unserer Haushunde1,2: Osteoarthrose (OA). Dabei macht sich diese, individuell je nach Patienten und betroffenem Gelenk, sehr unterschiedlich bemerkbar. Während Rex der Schäferhund unter starken Schmerzen an der Hüfte leidet und damit eine deutlich eingeschränkte Lebensqualität hat, verläuft sie bei Snoopy, dem Mischling trotz Deformationen eines Sprunggelenkes relativ unbemerkt. Fakt ist: Ist die OA erst einmal da, bleibt sie ein lebenslanger Begleiter.

Das Ziel einer konservativen OA Therapie muss es daher sein, ein weiteres das Fortschreiten der OA zu verhindern und vorhandene Schmerzen so früh wie möglich zu behandeln, um die Entstehung eines Schmerzgedächtnisses zu verhindern. Da Schmerzen individuell sehr unterschiedlich wahrgenommen werden, gibt es nicht die OA Standardtherapie. Die Erfahrung hat zudem gezeigt, dass die Anwendung eines einzelnen Schmerzmedikamentes bei chronischen OA Schmerzen oft unzureichend ist, daher ist eine multimodale Schmerztherapie einer Monopräparat-Therapie vorzuziehen. Multimodale Schmerztherapie bedeutet, dass Schmerzmedikamente, die auf unterschiedlichen Ebenen der Schmerzkaskade greifen, miteinander kombiniert werden.3 Dadurch ergänzen sich die Medikamente synergistisch in ihrer Wirkung und die Menge der einzelnen Substanzen können reduziert werden. So kann auch die Schmerztherapie wesentlich individueller an den Patienten angepasst werden und die Gefahr für das Auftreten möglicher Nebenwirkungen wird gesenkt.3

NSAIDs sind die Klassiker zur Therapie der OA

NSAIDs zählen aufgrund ihrer analgetischen und antiinflammatorischen Wirkung zu den klassischen Wirkstoffen für die Therapie von Schmerzen und Entzündungen bei Hunden mit OA. Ihre Wirkung beruht auf einer Hemmung der Cyclooxygenase (COX) 1 und 2 innerhalb der Entzündungskaskade, dadurch werden weniger Entzündungsmediatoren (Prostaglandine) freigesetzt, d.h. weniger Entzündung = weniger Schmerz.

Es gilt zu beachten, dass es bei unseren vierbeinigen Patienten zu ähnlich individuellen Reaktionen wie beim Menschen, d.h. nur weil ein bestimmtes NSAID einem Patienten X gut hilft, kann es bei Patient Y durchaus nur eine verminderte oder auch keine Wirksamkeit zeigen. Daher kann manchmal der einfache Wechsel von einem vermeintlich „wirkungslosen“ NSAID auf ein anderes NSAID zum gewünschten Therapieerfolg führen4. Aufgrund der möglichen Nebenwirkungen, die bei der Anwendung von NSAIDs auftreten können, wie gastrointestinale Symptome, aber auch Nieren- und Leberversagen sind NSAIDs nicht per se für jeden Patienten geeignet, v.a. dann nicht, wenn diese schon Komorbiditäten, wie z.B. erhöhte Leber- und Nierenwerte im Blutbild aufweisen.

Metamizol und Grapiprant

Verträgt unser vierbeiniger Patient keine NSAIDs oder sollte er aufgrund zusätzlicher Erkrankungen diese nicht bekommen, kann die Anwendung von Grapiprant oder Metamizol v.a. bei leichten bis mittelschwerer OA eine Alternative sein. Der schmerzlindernde Mechanismus von Metamizol ist sehr komplex und nach wie vor nicht vollständig geklärt. Im Gegensatz zu den klassischen NSAIDs beruht seine analgetische Wirkung nur teilweise auf einer peripheren Hemmung der Prostaglandine. Metamizol bindet auch an einen COX-3-Rezeptor, der im zentralen Nervensystem (ZNS) vorkommt, so dass nicht nur die periphere, sondern auch die zentrale Schmerzbildung vermindert wird. Ein zusätzlicher analgetischer Effekt scheint auch durch die Wirkung auf das Opioidsystem, den Serotoninstoffwechsel und das Cannabinoid-Rezeptor-System vermittelt zu werden. Daher eignet sich Metamizol auch sehr gut als zusätzliches Analgetikum bei sehr starken, therapieresistenten Schmerzen in Kombination mit einem NSAID oder einem Glukokortikoid. Auch scheint Metamizol durch die schwächere Wirkung auf die periphere Prostaglandinsynthese deutlich seltener zu gastrointestinalen und/oder renalen Nebenwirkungen zu führen als klassische NSAIDs.7 Es gibt aber keine Studien zur Langzeittherapie.

Grapiprant gehört zur Wirkstoffgruppe der Prostaglandin-Rezeptor-Antagonisten und hemmt den EPA-4 Rezeptor, über den die Prostaglandine die Entzündung und Schmerzen am Gelenk hervorrufen.8 Durch diese sehr spezifische Bindung soll Grapiprant zu weniger Nebenwirkungen führen und besser verträglich sein als die klassischen NSAIDs.9 In klinischen Studien wurden aber dennoch leichte, meist vorübergehenden gastrointestinale Nebenwirkungen beobachtet.10 Bedingt dadurch, dass Grapiprant erst letztes Frühjahr auf den Markt gekommen ist, liegen derzeit noch keine Studien zur Anwendung zur langfristigen oder dauerhaften Therapie der OA beim Hund vor.

Opioide

Opioide zählen zu den Eckpfeilern einer effektiven Schmerztherapie und sind auch in der Tiermedizin die im Moment die stärksten zur Verfügung stehenden Analgetika. Da Opioide aber keinen antientzündlichen Effekt aufweisen, eignen sie sich nur bedingt zur OA Therapie. Ihr Einsatzgebiet liegt eher in der akuten perioperativen Schmerztherapie. Tramadol ist ein mittlerweile für den Hund zugelassenes, schwaches Opioid. Es wirkt u.a. am μ-Opioidrezeptoren, hemmt aber auch die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin im ZNS. Die Wirkung am μ-Rezeptor erfolgt durch den M1-Metaboliten O-Desmethyltramadol, der beim Hund nur in sehr geringen Mengen vorkommt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Tramadol in einer klinischen Studie bei Hunden mit OA keine entsprechende Besserung der Symptomatik zeigte.11

Wird OA-bedingte Schmerzen diagnostiziert, sollte eine adäquate Schmerztherapie eingeleitet werden, um die Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses und chronischen Schmerzsyndroms zu verhindern."

Dr. Stephanie von Ritgen, Vetmeduni Wien

Adjuvantien

Gabapentin und Pregabalin werden in der Humanmedizin als Antiepileptika eingesetzt. Später wurde dann auch ihre analgetische Wirkung bei chronischen oder auch neuropathischen Schmerzen bekannt. Obwohl sie in der Struktur der Gamma- Aminobuttersäure (GABA = Schmerzhemmender Neurotransmitter im ZNS) ähnlich sind, entfalten sie ihre Wirkung durch das Binden an Natrium- und Calciumkanälen auf Rückenmarksebene und hemmen so die Freisetzung Schmerzfördernde Neurotransmitter (Glutamat und Substanz P). Gabapentin und Pregabalin können in der Therapie chronischer OA Schmerzen gut als Zusatzpräparate eingesetzt werden, haben aber als Monopräparat keine ausreichende Wirkung. Auch tritt der Effekt von Gabapentin und Pregabalin erst langsam über mehrere Tage ein.12 In der Tiermedizin gibt es derzeit nur vereinzelt Fallberichte über die positive Anwendung von Gabapentin und Pregabalin bei chronischen oder neuropathischen Schmerzen, es gibt aber keine Literatur zur Langzeittherapie.

Amantadin: Tierärzte, die sich mit Schmerztherapie und v.a. mit der Therapie chronischer Schmerzpatienten beschäftigen, wissen um die zentrale Rolle des NMDA-Rezeptors bei der Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses. Ketamin, ein für die Veterinärmedizin zugelassener NMDA-Rezeptor-Antagonist kann zwar im Rahmen einer Dauertropfinfusion in subanästhetischen Dosierungen zur Therapie chronischer Schmerzen eingesetzt werden, aber dies ist nicht für die Therapie des OA Patienten zu Hause geeignet. In der Humanmedizin gibt es allerdings einen NMDA-Rezeptor-Antagonisten in Tablettenform. Amantadin kam ursprünglich als antivirales Medikament zur Behandlung von Influenza A auf den Markt und wird derzeit in der Therapie von Parkinson eingesetzt. In der Veterinärmedizin gibt es lediglich eine Studie zum positiven Effekt von Amantadin bei Hunden mit OA, bei denen die Monotherapie mit Meloxicam keine Besserung zeigt.13

Trizyklische Antidepressiva: Amitriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum und wird in der Humanmedizin häufig als Medikament der Wahl zur Therapie von neuropathischen Schmerzen anwendet. Ähnlich wie Tramadol hemmt auch Amitriptylin die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin. Bis dato existiert in der Tiermedizin lediglich eine Fallserie zur erfolgreichen Anwendung von Amitriptylin bei Hunden mit neuropathischen Schmerzen. Amitriptylin hat nur eine sehr geringe therapeutische Breite, neben Probleme im Bereich Magendarm- und Herz-Kreislaufsystem, kann es auch zu neurologischen Symptomen kommen. Amitriptylin sollte auch nicht mit anderen Medikamenten (z.B. Tramadol), die die Serotoninaufnahme hemmen, kombiniert werden, da dies zu einem Serotonin-Syndrom führen kann.14

Fazit

OA beim Hund ist nicht heilbar und wird ein lebenslanger Begleiter des Tieres sein. Wird OA-bedingte Schmerzen diagnostiziert, sollte eine adäquate Schmerztherapie eingeleitet werden, um die Entwicklung eines Schmerzgedächtnisses und chronischen Schmerzsyndroms zu verhindern. OA Therapie führt am ehesten zu einer Beschwerdefreiheit und Verbesserung der Lebensqualität, wenn ein multimodaler Therapieansatz gewählt wird. Damit die Therapie der OA Erfolg hat, ist eine gute Besitzercompliance eine Grundvoraussetzung. Multimodales Schmerzmanagement, v.a. bei chronischen OA-Schmerzen, ist meist erfolgreicher als eine Monopräparat-Therapie.

Literatur

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2. Brunnberg L, Waible H, Lehmann J. Degenerative und entzündliche Gelenkerkrankungen. Lahmheit beim Hund. Kleinmachnow: Procane Claudo Brunnberg; 2014: 458.

3. White P.F. Multimodal analgesia: its role in preventing postoperative pain. Curr Opin Investig Drugs. 2008 Jan; 9(1):76-82.

4. Papich MG. An update on nonsteroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs) in small animals. Vet Clin Small Anim Pract 2008; 38: 1243-1266.

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9. Rausch-Derra LC, Huebner M, Rhodes L. Evaluation of the safety of long-term, daily oral administration of grapiprant, a novel drug for treatment of osteoarthritic pain and inflammation, in healthy dogs. Am J Vet Res 2015; 76: 853-859.

10. Rausch-Derra L, Huebner M, Wofford J, Rhodes L. A prospective, randomized, masked, placebocontrolled multisite clinical study of grapiprant, an EP4 Prostaglandin Receptor Antagonist (PRA), in dogs with osteoarthritis. J Vet Intern Med 2016; 30: 756-763.

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13. Lascelles BD, Gaynor JS, Smith ES, Roe SC, Marcellin-Little DJ, Davidson G, Boland E, Carr J. Amantadine in a multimodal analgesic regimen for alleviation of refractory osteoarthritis pain in dogs. J Vet Intern Med 2008; 22: 53-59.

14. Crowell-Davis SL, Poggiagliolmi S. Understanding behavior: serotonin syndrome. Compend Contin Educ Vet 2008; 30: 490-493.