Neue Wege: Immunmodulation als Therapieergänzung bei Osteoarthritis

Multimodale Therapiekonzepte bei Osteoarthritis (OA) umfassen zum einen den Einsatz von symptomorientierten Medikamenten – meist nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAIDs) – und zum anderen nicht-medikamentöse Maßnahmen wie Physiotherapie und Gewichtskontrolle. Auch über die Fütterung kann regulierend in den klinischen Verlauf eingegriffen werden, weshalb spezielle Ergänzungsfuttermittel zusätzlich empfohlen werden. Chrondroitinsulfat, Glukosamin oder mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind hier bekannte Inhaltsstoffe. Sie sollen langfristig zum Aufbau oder Schutz des Gelenkknorpels beitragen und werden deshalb als „Chondroprotektiva“ bezeichnet.(1)

Eine relativ neue Substanzgruppe bei den Ergänzungsfuttermitteln soll „modulierend“ in das Entzündungsgeschehen einer Osteoarthritis eingreifen. Zwei Wege stehen hierbei im Vordergrund: 1. durch orale Toleranzbildung, und 2. durch die Hemmung der Leukotrienbildung. Was genau bedeuten diese Schlagworte und welche Substanzen stehen dahinter?

Die orale Toleranzbildung (OT) ist ein bekanntes Phänomen, bei dem das Darm-assoziierte Immunsystem mit der Nahrung aufgenommene Antigene toleriert und keine Immunantwort auslöst. Ohne OT würde das Immunsystem im Magen-Darmtrakt nicht nur Pathogene angreifen sondern auch Nahrungsbestandteile, was unmittelbar zu Darmentzündungen führen würde. Mittlerweile weiß man, dass der OT ein komplexer immunologischer Prozess zu Grunde liegt, den man auch therapeutisch nutzen kann. Spezifische Immunzellen des Magen-Darmtraktes spielen hier eine wichtige Rolle. Erkennen sie bestimmte Antigene, so folgt eine Aktivierung von regulatorischen T-Zellen (Treg). Diese heißen so, weil sie Immunantworten modulieren und sogar unterdrücken können.(2) Letzteres geschieht u.a. über die Ausschüttung von antiinflammatorischen Zytokinen (Botenstoffe) wie IL-10 oder TGF-ß (s. Abb.). Und genau dieser Mechanismus wird eingeleitet, wenn ein spezifisch hergestelltes Kollagen (hier: UC-II®) kontinuierlich bei Osteoarthritis-Patienten gegeben wird. Fachleute interpretieren diese Reaktion als eine Art Immunmodulation.(4,5)

Der Wissensstand zur OT und ihrer therapeutischen Nutzung befindet sich noch in den Anfängen. Neben den Autoimmunerkrankungen stehen aber auch chronisch degenerative Erkrankungen im Fokus. Vielversprechende Ergebnisse aus der Humanmedizin werden vor allem bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten gesehen. So lassen sich durch orale Toleranzbildung Behandlungserfolge insbesondere bei Patienten mit Hühnerei- oder Kuhmilchallergien nachweisen.(3)

Auch in der sonst von NSAIDs geprägten Osteoarthritis-Therapie gibt es Fortschritte mit dem Konzept der oralen Toleranzbildung. Klinische Studien bei Hund und Pferd zeigten sehr eindrückliche Ergebnisse bei Verwendung des glykosylierten Typ-II-Kollagens (UC-II®). Im Mittelpunkt dieser Studien standen sowohl die schmerzlindernden Effekte als auch die Gelenkbeweglichkeit, die im Vergleich zu bzw. in Kombination mit anderen Futterstoffen wie Chondroitinsulfat und Glukosamin untersucht wurden.(4,5) Die genannten Studien (placebo-kontrolliert, randomisiert, verblindet) zeigten reicht einheitlich, dass sowohl in Ruhe als auch unter Belastung die typische OA-Symptomatik mit UC-II® verbessert werden konnte. Unter Verwendung von objektiven Messsystemen (Kraftmessplatte) zeigte sich ein gleiches Bild.(5) Mit diesem Verfahren werden die Vertikal- und Horizontalkräfte der Gliedmaße im Bewegungsablauf gemessen. Erste, positive Veränderungen waren im Trend schon nach dreiwöchiger UC-II®-Anwendung sichtbar und wurden ab dem 60. Anwendungstag signifikant besser im Vergleich zur Placebo-Gruppe.(5)

In der sonst von NSAIDs geprägten Osteoarthritis-Therapie gibt es Fortschritte mit dem Konzept der oralen Toleranzbildung."

Dr. Wolf-Rüdiger Pankow, Senior Medical Manager Vetoquinol

Neben objektiven Kriterien (Kraftmessplatte) werden zur Einschätzung von Therapieerfolgen in der Osteoarthritis-Therapie auch validierte Fragebögen eingesetzt, die sich explizit an den Hundehalter richten. Denn mit gezielten Fragestellungen lassen sich recht zuverlässig Veränderungen im Mobilitätsverhalten des Hundes abbilden – gleichwohl bleibt es ein subjektives Instrument. Eine kürzlich erschienene Studie verwendete dieses Konzept und prüfte anhand der etablierten LOAD-Skala (Liverpool Osteoarthritis in Dogs – LOAD) den Einfluss von UC-II® nach 30 Anwendungstagen. Fazit der Studie: Hunde mit moderaten OA-Symptomen profitieren am deutlichsten von der UC-II®-Anwendung. Gemäß der LOAD-Skala verbesserten sich sowohl die Mobilität (z.B. die Lust auf Spaziergänge, Steifheit beim Aufstehen, Aktivität allgemein) als auch die typischen Lahmheitszeichen signifikant.(6)

Eine andere Art von Modulation wird mit Extrakten des Weihrauch-Harzes (Boswellia serrata) erreicht. Schon in der traditionellen indischen Medizin (Ayurveda) fanden und finden Zubereitungen dieser Heilpflanze in vielfältiger Weise Anwendung. Dem Boswellia-Extrakt wird eine entzündungsmodulierende, Prostaglandin-unabhängige Aktivität zugeschrieben. Als belegt gilt, dass die enthaltenen Boswellia-Säuren – allen voran die Acetyl-keto-beta-Boswelliasäure – die Leukotrien-Bildung hemmen, wodurch weniger Entzündungszellen in das betroffene Gewebe – z.B. ein Gelenk – einwandern. Über die Hemmung von proinflammatorischen Zytokinen (Botenstoffe) scheinen die Boswellia-Säuren zusätzlich die Degeneration von Knorpelsubstanz direkt zu begrenzen.(7) In einer offenen, multizentrischen Studie mit Boswellia-Extrakt konnte bereits nach zwei Wochen eine Linderung von Lahmheit und Schmerzen bei 71% der Hunde mit moderater Osteoarthritis gesehen werden.(8)

Mobilität durch Kombination von UC-II® und Boswellia-Säuren

Die Kombination von UC-II® und Boswellia-Säuren in einem Produkt ist sicherlich einzigartig. Trotz unterschiedlicher Wirkmechanismen wollen beide Inhaltsstoffe das Gleiche: Eine bessere Beweglichkeit und Mobilität – allerdings nicht auf dem Wege der Symptomunterdrückung sondern durch Modulation der Entzündungsabläufe im Gelenk. Dies kann bei individuellen Patienten die Effektivität von NSAIDs – sie gelten nach wie vor als medikamentöser Standard – verbessern oder ihre Einsatzhäufigkeit reduzieren helfen. Eine Kombination steht als Diät-Ergänzungsfuttermittel unter dem Namen Flexadin® Advanced zur Verfügung. Das Produkt wird gewichtsunabhängig als Chew nur einmal täglich gegeben.

Eine in 2019 durchgeführte Befragung bei Flexadin®-Anwendern bzw. Fachberatern (Tierärztliche Fachangestellte) bestätigte hohe Zustimmungswerte bei den Kriterien

a) sichtbare Verbesserung der Symptomatik innerhalb von 14 (49%) bzw. 30 Anwendungstagen (69%), und

b) die Weiterempfehlung durch die Befragten ist wahrscheinlich (89%). Insgesamt nahmen 49 Tierarzthelferinnen im Bundesgebiet an der Befragung teil.

Literatur

1 Dörfelt, S, Dörfelt R (2018): Nahrungsergänzungsfuttermittel zur Schmerztherapie. Prakt Tierarzt 99, 650-659

2 Pabst O (2009): Der Einfluss der kommensalen Flora auf die intestinale Toleranz. In: Probiotika, Präbiotika und Synbiotika, 55-61, Hrsg.: SC Bishoff, Thieme Verlag, Stuttgart

3 Marth T, Zeitz M (1999): Orale Toleranz, Dt Ärztebl 96, 1568-1570

4 Gupta RC et al (2009): Therapeutic efficacy of undenatured type-II collagen (UC-II) in comparison to glucosamine and chondroitin in arthritic horses. J Vet Pharmacol Therap 32, 577-584

5 Gupta RC et al (2012): Comparative therapeutic efficacy and safety of type-II collagen (UC-II), glucosamine and chondroitin in arthritic dogs: pain evaluation by ground force plate. J Anim Physiol Anim Nutr 96, 770-777

6 Stabile et al (2019): Evaluation of the effects of undenatured type II collagen (UC-II) as compared to robenacoxib on the mobility impairment induced by osteoarthritis in dogs, Vet Sci 6, 2-11

7 Ammon HP (2016): Boswellic acids and their role in chronic inflammatory diseases. Adv Exp Med Biol 928, 291-327

8 Reichling et al (2004): Dietary support with Boswellia resin in canine inflammatory joint and spinal disease. Schweiz Arch Tierheilkd, 146, 71-9.