Heimtierpraxis Oberhaching: "Kleine Superhelden!"

Die Karriere der Fachärztin für Heimtiere, Dr. Karin Teichmann, scheint, als wäre sie am Reißbrett geplant. Tiermedizinstudium und Internship an der LMU, Assistenz in der Tierklinik Haar, freiberufliche Tätigkeit im Münchner Kleintierzentrum und seit Oktober 2021 Start mit eigener Praxis. Anna Draschka, Chefredakteurin des Heimtiermagazins, und Verleger Andreas Moll hospitierten einen Vormittag bei Karin Teichmann, schauten ihr über die Schulter und stellten neugierig ihre Fragen.

Die Fachpraxis von Dr. Karin Teichmann ist in Oberhaching im Landkreis München zu finden - knapp einen halben Kilometer von der über die Grenzen Bayerns hinaus bekannten Tierklink entfernt. Teichmanns Spezialisierung auf die Behandlung von Kaninchen, Meerschweinchen, Degu, Frettchen und Co. sorgt für eine Ergänzung des tierärztlichen Angebotes im Münchner Süden - von Konkurrenz keine Spur. Gerne kommt es vor, dass Heimtiere an die Spezialistin überwiesen werden. Teichmann wiederum, die bisher noch keinen CT ihr eigen nennt, fragt bei den Kolleg:innen in der Umgebung, wenn eine CT- oder MRT-Diagnostik notwendig ist oder notdienstliche Hilfe benötigt wird.

Smarter Einstieg in die Selbstständigkeit

"Unbedingt selbstständig wollte ich zu Beginn nicht arbeiten, aber man entwickelt sich – wie man so schön sagt - den Umständen entsprechend immer weiter und wächst mit seinen Aufgaben“, erklärt Teichmann. So wurde in der Not „an der Heimtierfrau“ während der Babypause in Oberhaching ein ehemaliges Kosmetikstudio zu einem Praxisraum umfunktioniert, welchen sie für ihre Zwecke einrichtete und anfangs an zwei Tagen in der Woche Heimtiere behandelte. Baldige Unterstützung kam von der TFA Irene Christodoulou, mit der sie sich mittlerweile wortlos versteht. "Da reicht schon ein Wimpernschlag, und Irene weiß, was zu tun ist", freut sich die Tierärztin. Im Frühsommer letzten Jahres standen dann die größeren Räumlichkeiten auf derselben Etage zur Debatte und die Fusion nahm seinen Anfang. Im November 2023 konnte die Praxis dann endlich durchstarten. „Es ist eine der ersten Tierarztpraxen mit reiner Spezialisierung auf die Kleinsäuger in Bayern“, berichtet Teichmann stolz.

Allerdings plagten sie einige schlaflose Nächte, bevor sie den Mietvertrag der 140 Quadratmeter großen Gewerbeeinheit unterzeichnete. Zudem hatte sie großen Respekt wegen der anfallenden Umbaumaßnahmen, der Anfangsinvestitionen, dass der großzügig geplante Wartebereich leer bleiben würde und dass sie Familienleben und das neue Business nicht ihrer Ansprüche gemäß bewerkstelligen könnte. „Man braucht schon Mut, um diesen Schritt zu gehen!“ Unterstützung erhielt die Tierärztin von ihrem Mann, der ihr in dieser Phase nicht nur den Rücken freihielt, sondern auch den Praxisumbau mit beaufsichtigte. Darüber hinaus setze sie bei der Einrichtung auf ein im Veterinärmarkt bekanntes Unternehmen. "Ich bin kein Typ, der gerne Ikeamöbel zusammenschraubt", erklärt die Praxisinhaberin, die sich mit dem Praxiseinrichter Buchholz aus Eicklingen einen Profi engagierte. Jahre vorher hatte sie eine Anzeige in einer Fachzeitschrift gesehen, für gut befunden, ausgerissen und abgeheftet. Das Ziel war es, die Praxisräume individuell einzurichten, die Wege kurz und effektiv zu halten und den Tierbesitzer:innen eine einladende Atmosphäre zu vermitteln. Bei der Planung konnte Teichmann ihre eigenen Ideen miteinbringen, das Farbkonzept durchsetzen und vor allem ihre bunten, expressionistischen Kunstwerke mit Heimtiermotiv, die bereits ein Jahr im Keller auf ihren Einsatz gewartet hatten, passend einplanen. "Ich bin noch heute total begeistert, als die Crew hier teilweise vormontiert, das Mobiliar nach Oberhaching brachte und innerhalb von zwei Tagen alles komplett aufbaute", so Teichmann.

Kleine Heimtiere sind für mich deutlich interessante Pastienten, da sie Beutetiere sind, die alles maskieren. Diese Tiere müssen daher wirklich eingehend und vernünftig untersucht werden."

Dr. Karin Teichmann, "Kleine Heimtiermedizin" in Oberhaching

Teichmann: "Gute Heimtiermedizin ist zeitaufwändig"

"Katzen- und Hundemedizin finde ich persönlich einfach nicht so spannend, obwohl ich sechs Jahre lang in der Inneren der medizinischen Kleintierklinik München und in der Tierklinik Haar viel darüber gelernt habe und eine umfassende Ausbildung genossen habe", erklärt Teichmann. Deutlich interessanter sind jedoch für die Tierärztin die Kleinsäuger, denn als Beutetiere maskieren sie viele Erkrankungszustände und müssen daher eingehend und vernünftig untersucht werden, um die richtigen Diagnosen stellen zu können. In der Regel bestehen mehrere Krankheitszustände gleichzeitig, es ist wie ein Detektivspiel. "Mittlerweile habe ich ein sehr gutes Gespür für die Patienten", so Teichmann, für die es ganz wichtig ist, alles, was das Tier belastet, aufzudecken, abzuschalten oder zumindest soweit möglich, zu verbessern.

Die meisten Tierbesitzer:innen, die nach Oberhaching kommen, schätzen sehr, dass sich Teichmann und ihr Team viel Zeit für ihre Patienten nehmen. Darüber hinaus ist es ihr sehr wichtig, dass die Tiere gepflegt nach Hause gehen. „Tiere, die in einem guten Pflegezustand sind, können einfach schneller gesunden,“ fasst Teichmann zusammen, die sich dafür gerne die Zeit nimmt und der es wichtig ist, dass diese Mentalität in ihrer Praxis auch weiterhin beibehalten wird.

Heimtiermedizin in Deutschland - eine der jüngsten Sparten der Veterinärmedizin

Karin Teichmann ist groß geworden in der Uniklinik, hat als Doktorandin noch in der Abteilung für Kleine Heimtiere und Gesundheitsvorsorge der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München arbeiten können, die damals von Dr. Jutta Hein geleitet wurde und hat dort die schrittweise Aufarbeitung der Kleinsäugerfälle gelernt. "Ohne den Einsatz von Jutta Hein wäre die Heimtiermedizin in Deutschland nicht so weit entwickelt", fasst Teichmann zusammen, die jedoch bemängelt, dass nach der Schließung der Heimtierabteilung die kleinen Heimtiere in München keine Heimat mehr hätten.

Sie vermutet, dass Kaninchen, Meerschweinchen und Co. als Tiere zweiter Klasse gesehen würden und es daher an der LMU keine vernünftige Kleinsäugerausbildung gebe. Ein Dilemma für künftige Tierarztgenerationen und letztendlich für die zahlreichen Kleinsäugerpatienten. Es gibt in der Heimtiermedizin noch einen großen Entwicklungsspielraum - es ist die jüngste und gleichzeitig leider eine der rückständigsten Sparten innerhalb der Veterinärmedizin", fasst Teichmann zusammen.

"Ich bin ganz froh, dass ich jetzt mal angekommen bin und bin sehr zufrieden mit dem, was wir hier geschaffen haben!"

Dr. Karin Teichmann im Gespräch mit Chefradakteurin Dr. Anna Draschka

Zusammenarbeit mit Kolleg:innen

"Ich habe die interdisziplinäre Zusammenarbeit früher sehr geschätzt und arbeite auch heute gerne mit Kolleg:innen zusammen", beschreibt sich Teichmann. Sie steht gerne mit Rat und Tat zur Verfügung, wenn ihr Fachwissen benötigt wird. Als Fachtierärztin für Heimtiere darf Teichmann auch ausbilden, was sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten macht. Regelmäßig laufen Praktikant:innen in der Praxis mit, um zu lernen, außerdem hospitieren Kolleg:innen. Doch ist die Zeit der limitierende Faktor, so dass sie ihr Wissen nicht in dem Maße mit interessierten Kolleg:innen teilen kann, wie sie es eigentlich möchte.

"Ich bin froh, dass ich jetzt erst mal angekommen bin und zufrieden mit dem, was wir hier geschaffen haben", so Teichmann, die immer wieder betont, wieviel Glück sie mit ihrem Team hat, in dem jede Einzelne ein großes Herz für die Heimtiere hat. „Jetzt können wir für die Kleinen eine umfassende medizinische Versorgung anbieten, die viele Fachgebiete umfasst“. Mit Sylvie Taube, Tierärztin mit Zusatzbezeichnung Heimtiere/Kleinsäuger, sowie Anfangsassistentin Andrea Diewald sind zwei Kolleginnen mit an Bord. Unterstützt werden sie von den beiden TFAs Irene Christodoulou und Julia Wünschheim. Teichmann hofft sehr, dass ihr Team noch lange stabil bleibt, denn ihr ist sehr bewusst, dass Tierärzt:innen und TFAs mit entsprechenden Kenntnissen rar sind und für eine Ausbildung viel Zeit und Engagement aufgeboten werden müsse.

"Ich möchte kleinen Heimtieren eine hervorragende und zeitgemäße Beratung, Diagnostik sowie medizinische Versorgung ermöglichen, erklärt Teichmann ihre grundsätzliche Einstellung. Es geht aber vor allem darum, den allgemeinen Standard und die Medizin der Heimtiere im Wesentlichen zu verbessern. Das ist dringend notwendig, denn leider passiert, teilweise unbewusst, aufgrund der fehlenden fachlichen Ausbildung der Tierärzt:innen immer wieder eine nicht optimale Behandlung und Therapie der Kleinsäuger, so die Fachtierärztin, die auch in Zukunft immer weiter Aufklärungsarbeit bei Besitzer:innen und Kolleg:innen leisten wird.

Anna Draschka & Andreas Moll