Dr. Alexandra Keller: "Kein Tag ohne Gangbildanalyse!"
Die Kleintierpraxis von Dr. Alexandra Keller im Frankfurter Stadtteil Niederrad liegt in der "Einflugschneise" des Waldstadions, in dem die Frankfurter Eintracht seine Fußballspiele austrägt. "Wir haben uns auf Sport-Orthopädie im Kleintierbereich spezialisiert, und zwar rein auf die konservative Orthopädie", erklärt die Inhaberin, die darauf hinweist, dass die chirurgischen Fälle alle an Kolleg:innen in der Umgebung überwiesen werden. Alle fünf Tierärzt:innen sind rein auf die Diagnostik spezialisiert und pflegen eine sehr enge Zusammenarbeit mit den sechs angestellten Physiotherapeut:innen in der Praxis.
Zu Beginn des Praxistages trifft sich das gesamte Team, das ausschließlich aus Frauen besteht, zur Fallbesprechung, bzw. um sich bzgl. der Aufgaben des Tages abzusprechen. Im Prinzip ist es eine Visite, in der über Patienten, mögliche Diagnosen und Therapien gesprochen wird, Röntgen- und Ultraschallbilder interpretiert werden und der Tag strukturiert wird. Währenddessen herrscht eine sehr freundliche, kollegiale, gelöste Atmosphäre im Team, in dem jede einzelne zu Wort kommt. Von Stress keine Spur.
Auf Augenhöhe
Wichtig ist der Chefin, dass alle Mitarbeitenden neben der fachlichen Kompetenz ein bisschen Herzblut mit einbringen und bei jedem neuen Patienten neugierig sind und das Beste für das kranke Tier herausholen wollen. "Eigentlich können hier alle relativ frei arbeiten, müssen aber auf jeden Fall motiviert sein, stetig dazuzulernen und das Wissen mit den anderen zu teilen", so Keller. "Ich bin sehr glücklich, dass wir mittlerweile auch ein großes Team sind. Vor allem schätze ich den fachlichen Austausch total", erklärt Keller, für die immer schon klar war, dass sie sich nach ihrem Studium der Kleintiermedizin widmen würde. "Die Wichtigkeit des gesamten Bewegungsapparates habe ich im Rahmen von Sportmedizin-Fortbildungen in den USA verinnerlicht", erklärt die Tiermedizinerin. "Einer unserer weiteren Schwerpunkte hier in der Praxis ist die regenerative Medizin", sagt die Tierärztin, "Gelenkinjektionen führen wir hier ebenso durch wie ultraschallgestützte Injektionen in die Sehne und haben mit der Stammzelltherapie schon sehr gute Ergebnisse erzielt!"
Regenerative Medizin
Auf insgesamt 300 Quadratmetern
sind drei Untersuchungsräume vorhanden, in denen die
Tierärzt:innen ihre Arbeit machen. Tische gibt es hier nicht, die
Untersuchungen finden auf großen am Boden liegenden Matten statt. Darüber
hinaus gibt es einen Röntgenraum, sowie einen Labor-bzw. Ultraschallraum. In
Physiotherapie-Bereich sind neben einem geschlossenen Zimmer vier
weitere Arbeitsplätze vorhanden: zwei Wasserlaufbänder, ein Trockenlaufband und
der großzügige Indoor-Bewegungsparcours. Derzeit denkt die Tierärztin wegen der hohen
Kundenanfrage an eine Erweiterung - die Pläne liegen in der Schublade
und müssten nur noch umgesetzt werden.
Eigentlich können hier alle relativ frei arbeiten, müssen aber auf jeden Fall motiviert sein, stetig dazuzulernen und das Wissen mit den anderen zu teilen."
Multimodaler Betreuung von Hunden im Sport
Viele
Besitzer:innen von Sporthunden kommen mit ihren Tieren in der Praxis
vorbei. Es hat sich in der Szene herumgesprochen, dass sich Keller und
ihr Team Zeit nehmen für die vierbeinigen Athleten, eine gründliche
Diagnose machen und vor allem auch konservative Therapien anbieten. Von
der benachbarten Rennbahn kommt ein Paar mit ihrem Windhund, einem
preisgekrönten Champion, der jedoch in letzter Zeit nicht mehr die
erhoffte Leistung bringt. Der im Gegensatz zu seinen Kontrahenten nicht
ganz so robuste Hund musste in den letzten Rennen einige Rempler
einstecken und "läuft nicht mehr rund". Die Besitzer:innen sind
Stammgäste und schätzen den multimodalen Ansatz der Tierärztin ihres
Vertrauens. Nach einer ersten Ganganalyse draußen vor der Praxis geht
der Patient aufs Laufband, um dort eine vollständige Befundung des
Gehverhaltens durchzuführen. Mit Hilfe mehrerer synchronisierter Kameras
und Sensoren auf dem Laufband, können durch Verletzungen hervorgerufene
Gangstörungen diagnostiziert werden, die mit bloßem Auge schwer zu
erkennen sind. Schnell wird dann mit den Besitzer:innen der
Auswertereport besprochen, der neben den Aufsetzkräften die
Druckverteilung der Pfoten sichtbar macht. Die Kommunikation mit den
Besitzer:innen, bzw. die weitere Behandlungsplanung erfolgt dann direkt
am Flatscreen, auf dem die Ergebnisse der Ganganalyse nebst Video des
Patienten in Aktion zu sehen sind.
GangWerkEntwicklung: Studie mit der Universtät Jena
Das Tierärztliche Orthopädie Team Frankfurt ist einer von vier Standorten in Deutschland, die eine mehrjährige Studie der Friedrich-Schiller-Universität Jena begleitet (Gangwerkentwicklung). Das Team aus Wissenschaftler:innen und Tierärzt:innen hat sich vorgenommen, die Entwicklung des Gangwerks von Hunden besser zu verstehen und mit vielen kursierenden Meinungen und Fragen "aufzuräumen". Neben dem Hauptziel, die normale Entwicklung des Gangbildes zu definieren, werden Abweichungen von der Norm als Früherkennung von Erkrankungen des Bewegungsapparates identifiziert. Das bedeutet, dass idealerweise schon sehr früh beim Welpen ein Hinweis auf die Entstehung z.B. von Hüftdysplasie oder Ellbogendysplasie zu erkennen ist. "Wir konnten schon über 400 Besitzer:innen überzeugen, mit ihren jungen Hunden anfänglich alle vier Wochen zu kommen, um die Entwicklungen aufzuzeichnen", erklärt die Tierärztin. "Das ist ein ganz spannendes Projekt, an dem ich mitarbeiten darf!"
"Ich bin sehr glücklich, dass ich den Arbeitsplatz mit Menschen teilen, die ähnlich denken und arbeiten wie ich", fasst Alexandra Keller zusammen. Stillstand wird es bei ihr sicherlich nicht geben, dafür gibt es einfach zu viele Projekte, die es noch zu entwickeln gilt. Spannend bleibt es auf jeden Fall.
Andreas Moll