Praxishygiene in der Veterinärmedizin

Bedeutung von Hygienekonzepten in Tierkliniken und Praxen

Infektionsprävention und -kontrolle ist beim Umgang mit Tieren ein allgegenwärtiges Thema. Mindestens 75 % der neu auftretenden Infektionskrankheiten beim Menschen haben ihren Ursprung beim Tier. Tierärzt:innen sind in ihrem Praxisalltag mit zahlreichen Zoonosen konfrontiert. Daneben spielen antibiotikaresistente Mikroorganismen (ARM) auch in der Veterinärmedizin eine zunehmende Rolle.

An der Vetsuisse-Fakultät wurden in den letzten Jahren mehrere Studien zur Hygiene in Kleintierkliniken durchgeführt, um deren potenzielle Rolle bei der Verbreitung von ARM zu untersuchen. Die Studien führten Hygiene-Begehungen, Handhygiene-Beobachtungen und bakteriologischer Untersuchungen von Abstrichen der Klinikumgebung in neun Kleintierkliniken der Schweiz durch. Zudem wurden Nasenabstriche und Stuhlproben von Tierpatienten vor und nach Hospitalisation sowie von Mitarbeitenden und Tierhaltenden gesammelt und auf ARM untersucht.

Die Resultate der Studien überraschten. Sie zeigten, dass die Hygienestandards in Schweizer Kleintierkliniken stark variieren. Kliniken mit unzureichenden Standards wiesen eine sehr starke Umgebungskontamination mit ARM auf: mehr als 30 % der beprobten Oberflächen waren in solchen Kliniken mit ARM kontaminiert. In zwei Kliniken wurden sogar Ausbrüche mit Carbapenemase-produzierenden Enterobakterien (CPE) entdeckt. CPE sind hochresistente Darmbakterien, welche auch gegenüber Carbapenemen eine Resistenz aufweisen. Carbapeneme werden als Reserveantibiotika in der Humanmedizin eingesetzt.

Unzureichenden Hygienestandards beeinträchtigen auch die Sicherheit der Patienten und Tierhaltenden. In Kliniken mit tiefen Standards wurden bis zu 39 % der Patienten während ihrem Klinikaufenthalt neu mit ARM kolonisiert. Diese Besiedlung war nach Entlassung über Wochen bis Monate nachweisbar. Genetisch eng verwandte ARM wurden nach Entlassung auch in der Haushaltsumgebung und im Stuhl einzelner Tierhaltenden nachgewiesen. Die Resultate zeigen auf, dass unzureichende Hygienestandards in Kleintierkliniken signifikant zur Besiedlung von Patienten mit ARM führen und zur Verbreitung dieser Keime beitragen können.

Umsetzung von Hygienekonzepten in Tierkliniken und Praxen

Für die Umsetzung von Hygienekonzepten ist die Unterstützung der Praxis-/Klinikleitung und der Einbezug der Mitarbeitenden essenziell. Jede tiermedizinische Einrichtung braucht eine dafür verantwortliche Person. In Kliniken sollte die Hygiene von einer Gruppe mit Vertreter:innen aller wichtiger Fachbereiche, einschließlich der Pflege, umgesetzt werden. Die Hauptverantwortung für die Hygiene im Betrieb sollte bei einer Führungsperson liegen.

Hygienekonzepte in Kliniken decken zahlreiche verschiedene Aspekte ab (Abb. 1). Zentrale Aspekte sind die Hand- und Personalhygiene, die Reinigung und Desinfektion und das Hygiene-Management im Betrieb. Im Rahmen der Studien in der Schweiz wurden Handbücher, Broschüren und Poster in Deutsch und Französisch zu diesem Thema erarbeitet (Abb. 2). Diese sind unter diesem Link auf der Homepage des Tierspitals Zürich kostenlos zugänglich.

Nicht alle Maßnahmen der Infektionsprävention und -kontrolle gelten als gleich effizient. So sind bauliche Maßnahmen und die Optimierung von Arbeitsabläufen effizienter als z.B. die Verwendung von Schutzkleidung (Abb. 3). Häufig ist aber eine Kombination von Maßnahmen nötig.

Die Resultate einer Studie in der Schweiz zeigen auf, dass die Standards durch Implementierung von Hygienekonzepten deutlich verbessert werden können und durch Schulungen eine signifikante und anhaltende Verbesserung der Handhygiene erzielt werden kann."

PD Dr. Barbara Willi

Zentrale Aspekte von Hygienekonzepten in medizinischen Einrichtungen

Handhygiene

Eine gute Handhygiene des Personals ist für die Unterbrechung von Infektionsketten in Kliniken und Praxen essenziell. Die WHO hat ein umfassendes Konzept zur Umsetzung der Handhygiene in medizinischen Einrichtungen erarbeitet, welches in der Humanmedizin seit vielen Jahren erfolgreich umgesetzt wird. Das Konzept "My five moments for hand hygiene" hat zum Ziel, eine Übertragung von Keimen von der Spitalumgebung auf den Patienten und umgekehrt zu verhindern. Handhygiene wird immer dann durchgeführt, wenn eine solche Übertragung stattfinden kann:

  1. vor Patientenkontakt
  2. nach Patientenkontakt
  3. vor sauberen/aseptischen Tätigkeiten
  4. nach potenziellem Kontakt zu Körperflüssigkeiten
  5. nach Kontakt zur Patientenumgebung (Abb. 4).

Das Waschen der Hände mit Wasser und Seife oder die Desinfektion der Hände mit einem alkoholbasierten Handdesinfektionsmittel gelten gemäß WHO als Handhygiene. Dabei ist die hygienische Händedesinfektion deutlich effizienter, zeitsparender und hautschonender als das Waschen der Hände mit Wasser und Seife. In gewissen Situationen ist das Händewaschen der Händedesinfektion jedoch vorzuziehen, insbesondere bei verschmutzten Händen (Abb. 5). Das Tragen von Handschuhen gilt gemäß WHO nicht als Handhygiene. Handschuhe dienen hauptsächlich dem Selbstschutz und können die Einhaltung der Handhygiene sogar negativ beeinflussen.

Für eine erfolgreiche Umsetzung der Handhygiene im Betrieb müssen in allen Bereichen mit Patienten Handwaschplätze zur Verfügung stehen. Handdesinfektionsspender sollten zahlreich und möglichst patientennah platziert werden. In Kliniken und Praxen dürfen nur gebrauchsfertige Waschlotionen und Einmalhandtücher zum Einsatz kommen. Um eine optimale Handhygiene zu ermöglichen, sollte kein Schmuck an Händen und Unterarmen getragen werden. Die Nägel sollten kurz geschnitten sein. Von Gelen, künstlichen Fingernägeln und Nagellack wird generell abgeraten.

Auch die Pflege der Hände spielt bei der Handhygiene eine wichtige Rolle, denn nur gesunde Haut ist desinfektionsfähig. An den Handwaschplätzen sollten nebst Seife und Handdesinfektionsmittel auch gebrauchsfertige, schnell einziehende und gut verträgliche Handpflegeprodukte zur Verfügung stehen.

Personalhygiene

Tiermedizinisches Personal mit Patientenkontakt sollte während der Arbeit Dienstkleidung tragen. Grundsätzlich sollte Dienstkleidung in Form von (falls möglich kurzärmligen) Oberteilen und Arbeitshosen durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt und betriebsintern mittels wirksamer Verfahren gewaschen werden. Das Tragen von geschlossenen, separaten Schuhen im Klinikbereich wird empfohlen. Die Kleidung sollte täglich und zusätzlich bei Bedarf gewechselt werden. Langes Haar sollte zusammengebunden getragen werden.

Flächendesinfektion

Bei der Umsetzung der Hygiene im Betrieb ist die Verschriftlichung der Reinigungs- und Desinfektionsverfahren zentral. Auf Desinfektionsplänen wird die Flächen- und Instrumentendesinfektion mit Produkt, Konzentration und Einwirkzeit definiert. Diese Pläne sollten in allen Räumen mit Patientenkontakt aushängen. Eine Desinfektion mittels Sprühverfahren ist zu vermeiden, da sie eine unnötige Belastung der Mitarbeitenden durch Aerosole darstellt. Ein System mit in Desinfektionsmittel getränkten Wipes wird bevorzugt. Die mit Wipes desinfizierten Flächen sollten antrocknen können. Werden die Flächen direkt trockengerieben oder abgewaschen, können die Einwirkzeiten der Produkte meist nicht eingehalten werden.

Erfolg der Implementierung von Hygienekonzepten und Schulungen

In einer kürzlichen Studie wurde der Effekt der Implementierung von Hygienekonzepten und von Handhygieneschulungen in 4 Kleintierkliniken in der Schweiz untersucht. Die Resultate zeigen auf, dass die Standards durch solche Konzepte deutlich verbessert werden können und durch Schulungen eine signifikante und anhaltende Verbesserung der Handhygiene erzielt werden kann.

Take Home Message

Die Umsetzung von Hygienekonzepten und die Schulung von Mitarbeitenden in Handhygiene ist zentral, um Infektionsketten in tiermedizinischen Einrichtungen zu unterbrechen. Eine erfolgreiche Hygiene-Strategie basiert auf einem umfassenden Hygiene-Management, schriftlichen Hygiene-Vorgaben und einer guten Handhygiene des Personals.

Literatur

  • Schmidt JS et al. Poor infection prevention and control standards are associated with environmental contamination with carbapenemase-producing Enterobacterales and other multidrug- resistant bacteria in Swiss companion animal clinics. Antimicrob Resist Infect Control . 2020. doi: 10.1186/s13756-020-00742-5.
  • Dazio V et al. Acquisition and carriage of multidrug-resistant organisms in dogs and cats presented to small animal practices and clinics in Switzerland. J Vet Intern Med. 2021. doi: 10.1111/jvim.16038.
  • Schmitt et al. Transmission Chains of Extended-Spectrum Beta-Lactamase-Producing Enterobacteriaceae at the Companion Animal Veterinary Clinic-Household Interface. Antibiotics. 2021. doi: 10.3390/antibiotics10020171.
  • Schmitt et al. Massive Spread of OXA-48 Carbapenemase-Producing Enterobacteriaceae in the Environment of a Swiss Companion Animal Clinic. Antibiotics. 2022. doi: 10.3390/antibiotics11020213.
  • Dassler K et al., Educational intervention to improve infection prevention and control practices in four companion animal clinics in Switzerland. J Hosp Infect. 2023. doi: 10.1016/j.jhin.2023.06.002.
  • Stull et al., 2018 AAHA Infection Control, Prevention, and Biosecurity Guidelines. https://www.aaha.org/globalass...