Kaninchenhaltung – wie sieht eine artgerechte Haltung aus?

Viola Schillinger, Landsberg am Lech

Kaninchen werden in der tierärztlichen Praxis sehr häufig vorgestellt. Dabei spielt die Haltung bei kaum einer Tierart eine solch große Rolle bei der Entstehung von Krankheiten, wie bei Kleinsäugern. Das Wissen über die Grundbedürfnisse kann dabei helfen, eine geeignete Haltung zu realisieren.

Grundbedürfnisse

  • Sozialkontakte: Ideal ist die Haltung von einem kastrierten Rammler und einem Weibchen, auch Dreiergruppen sind oft sehr harmonisch. Großgruppenhaltung ist anspruchsvoll und setzt viel Erfahrung und die Möglichkeit zur Bildung mehrerer Gruppen voraus, da geschwächte Tiere u. U. aus der Großgruppe genommen werden müssen. Verwitwete Kaninchen müssen neu vergesellschaftet werden, ein Ausstieg aus der Kaninchenhaltung kann durch die Abgabe in ein gutes Zuhause oder ein „Kaninchen auf Zeit“ ermöglicht werden. Sich fremde Kaninchen sollten auf einem unbekannten Terrain („neutralen Gebiet“) aufeinandertreffen und dort mehrere Tage ihre Rangordnung ausfechten, bevor sie zurück ins gewohnte Gehege ziehen können. Unverträglichkeiten sind auf ungeeignete Partnertiere, Fehler bei der Vergesellschaftung oder Erkrankungen der beteiligten Tiere zurückzuführen. Eine sachkundige Person sollte in solchen Fällen hinzugezogen werden.
  • Knabbermöglichkeiten: Kaninchen haben ein hohes Kaubedürfnis, das durch frische Zweige, Einrichtung aus Kork, Weide und Holz, aber auch durch eine faserreiche Ernährung mit Grünfutter und Heu befriedigt werden kann.
  • Graben und Scharren: In freier Wildbahn bauen sie sich Höhlen, in der Haustierhaltung wird dieses Bedürfnis insbesondere bei unkastrierten Kaninchen immer noch ausgelebt. Ein grabfähiger Naturboden oder eine Buddelkiste können den Trieb befriedigen.
  • Schutz: Als Fluchttiere brauchen Kaninchen viele Versteckmöglichkeiten, z.B. Tunnel, Häuschen, Unterstände oder selbst gegrabene Gänge.
  • Überblick: Kaninchen sitzen gerne erhöht auf Häuschendächern oder Etagen um den Überblick zu behalten, so fühlen sie sich sicher.
  • Abwechslung und Beschäftigung: Unseren Hauskaninchen fehlen die Umweltreize, sie benötigen viel Beschäftigung und Abwechslung, um fit und gesund zu bleiben.
  • Ausruhen und dösen: Kaninchen machen lange Ruhepausen, sonnen sich in einer Erdkuhle oder ruhen auf einem erhöhten Sitzplatz. Wenn Kaninchen sich ausruhen, sollten sie nicht gestört werden.
  • Bewegungsdrang: Als Mindestmaße werden in der aktuellen Fachliteratur und von den Tierschutzorganisationen in Deutschland und der Schweiz übereinstimmend mindestens sechs Quadratmeter für bis zu zwei oder drei Kaninchen unter 3 kg angegeben. Schwerere Kaninchen brauchen entsprechend mehr Platz. Da Kaninchen wechselaktiv sind, schlafen sie in der Nacht nicht durch und haben besonders in den Dämmerungsphasen ihre Aktivitätszeiten, deshalb muss diese Mindestfläche auch nachts angeboten werden. Ein oftmals praktiziertes Einsperren in Käfigen oder Ställen in der Nacht wird nicht ihrem Bewegungsdrang gerecht. Zudem sollten Kaninchen die Möglichkeit haben, drei aufeinanderfolgende Hoppelschritte durchzuführen und Männchen machen zu können, ohne mit den Ohren anzustoßen. In einer Studie hatten lediglich gut die Hälfte der Kaninchen die Möglichkeit, diese auszuführen. Eine zusätzliche, tägliche Auslaufmöglichkeit oder ein entsprechend größeres Gehege von etwa 15 m² ist wichtig, da Kaninchen nicht alle Verhaltensweisen auf sechs Quadratmetern ausleben können, besonders Sprinten und Haken schlagen sind kaum möglich.

Außenhaltung

Eine Haltung im Garten ist die sehr naturnah, die Umweltreize sorgen zudem für Abwechslung. Allerdings ist die ganzjährige Außenhaltung mit dem Bau eines stabilen, kostenintensiven Geheges verbunden, und die Versorgung der Tiere kann im Winter bei Frost beschwerlicher sein. Es gibt unterschiedliche Gehegetypen: etwa 1 Meter hohe Bodengehege, Pyramidengehege, die man mittig begehen kann und begehbare Gehege, die am besten gepflegt werden können und deshalb nach Möglichkeit vorzuziehen sind. Das feste Gehege muss nicht nur an allen vier Seitenwänden, sondern auch am Deckel und am Boden mit verzinkten, punktverschweißten, min. 1 mm starken Volierendraht, Holz, Gehwegplatten oder Metall mardersicher geschlossen werden. Zusätzlich kann ein Fliegengitter als Schutz vor Myiasis und Infektionskrankheiten angebracht werden. Netze und Kaninchendraht sind nicht mardersicher. Die Schutzhütte stellt den Bau der Kaninchen nach und ist nicht nur Rückzugsmöglichkeit, sondern bietet auch einen guten Wetterschutz. Handelsübliche Ställe sind meist zu windig, nicht mardersicher und müssen sehr gut nachgerüstet werden. Ein überdachter, windgeschützter und trockener Bereich im Gehege und genug kuscheliges Einstreu sind sehr wichtig, damit die Kaninchen im Winter nicht frieren. Es empfiehlt sich eine Vollüberdachung und drei geschlossene Gehegewände. Schattige und sonnige Bereiche sind wichtig (Achtung: die Sonne wandert). Als Untergrund eignen sich versiegelte Gehwegplatten, auf die man unterschiedliche Materialien einstreuen kann, z.B. Stroh und Einstreu in den überdachten Bereichen oder Sand, Pinienrinde, schimmelfreien Rindenmulch ohne Eibe bzw. Holzhackschnitzel. Eine Wiese im Gehege klingt zwar idyllisch, verwandelt sich jedoch schnell in eine Matschwüste und ist deshalb besser in einem versetzbaren Tagfreilauf aufgehoben. Für den Tagfreilauf sind z.B. Welpengitter, Kleintiergitter oder diverse Zäune geeignet, um die Wiese abzustecken, oder der freie Gartenfreilauf, wenn der Garten entsprechend gesichert wird.

Kaninchen werden immer noch als pflegeleichte Tiere beworben, die sich gut als Einsteigertier für Kinder eignen sollen. Befasst man sich etwas mit ihren Grundbedürfnissen wird schnell klar, dass es sich um anspruchsvolle Haustiere handelt, die nicht einfach in einem Käfig oder Stall gehalten werden können und ein hohes Maß an Sachkunde voraussetzen.

Viola Schillinger, Kaninchenwiese.de

Kasten: Temperaturwechsel

Temperaturschwankungen gibt es auch in der Natur. Ein richtig eingerichtetes Gehege sorgt dafür, dass Kaninchen gut damit zurechtkommen. Künstliche Temperaturwechsel, weil man die Kaninchen ins Haus holt, sind sehr groß und werden im Winter nicht gut verkraftet. Möchte man Kaninchen von der Wohnung in ein Außengehege umsiedeln, macht man das am besten von Mai bis Ende September oder man gewöhnt sie über einen „künstlichen Herbst“ mit ausgeschalteter Heizung, Lüften und dem Umsiedeln in einer milderen Periode in der kalten Jahreszeit nach draußen.

Wohnungshaltung

In der Wohnung haben die Halter:innen oft einen engen Bezug zu ihren Kaninchen, so dass sie Krankheiten frühzeitiger erkennen. Zudem sind sie vor Wetterextremen geschützt, was besonders älteren oder chronisch kranken Kaninchen hilft. Eine freie Wohnungshaltung, wie wir sie von Katzen kennen, ist ideal für Kaninchen - sie können sehr gut stubenrein werden. Auch ein eigenes Kaninchenzimmer oder ein mit einem Welpengitter, Plexiglas oder Songmics-Elementen vom Wohnraum abgetrenntes Gehege sind geeignet. Als Bodenschutz eignet sich ein angerauter PVC-Boden, der an den Rändern so überlappt oder mit Leisten gesichert wird, dass sie ihn nicht benagen können. Käfiggitter sollten abgenommen werden, da die Türe und der Deckel Verletzungsgefahren bergen.

Um Knabberschäden in der Wohnung und Fremdkörperaufnahmen zu vermeiden ist es wichtig, die Kaninchen intensiv zu beschäftigen und ihr Kaubedürfnis zu befriedigen. Zudem ist auch für den Auslauf in der Wohnung eine Absicherung von Gefahrenquellen (Kabel, Giftpflanzen…) erforderlich.

Wohnungskaninchen sind sehr anfällig für Pododermatitis, der nicht nur durch kurz gehaltene Nägel und ein geringes Körpergewicht, sondern auch bereits im Frühstadium durch eine Anpassung des Untergrunds begegnet werden sollte. Neben großen eingestreuten Käfigwannen und Teppichen, die ein Einsinken des Fußes ermöglichen, kann man bei nagefreudigen Kaninchen das gesamte Gehege auf einen Schaumstoffuntergrund stellen und mit Kunstleder abdecken. Damit es nicht angefressen wird, ist ein Holzrahmen erforderlich, der einen nach innen gebogenen Rand hat, so dass die Ränder abgedeckt werden.

Kaninchen bilden Vitamin D über Sonnenlicht. In Innenhaltung werden die UVB-Strahlen vom Fensterglas gefiltert, so dass direktes Sonnenlicht (offene Fenster, Auslauf im Garten) oder eine UVB-Lampe angeboten werden sollte.

Take Home Message

Kaninchen werden immer noch als pflegeleichte Tiere beworben, die sich gut als Einsteigertier für Kinder eignen sollen. Befasst man sich etwas mit ihren Grundbedürfnissen wird schnell klar, dass es sich um anspruchsvolle Haustiere handelt, die nicht einfach in einem Käfig oder Stall gehalten werden können und ein hohes Maß an Sachkunde voraussetzen.

Literatur

  • Bays, T B, Lightfoot, T, & Mayer, J (2006): Exotic pet behavior: birds, reptiles, and small mammals. Elsevier Health Sciences
  • Berthelsen, H, & Hansen, L T (1999): The effect of hay on the behaviour of caged rabbits (Oryctolagus cuniculus). Animal Welfare, 8(2), 149-157.
  • Buseth, M E, & Saunders, R (2014): Rabbit behaviour, health and care. CABI.
  • Deutscher Tierschutzbund e.V. (2021): Kleine Heimtiere. Artgerechte Haltung im Tierheim und Zuhause.
  • Endlicher, M (2013): Haltungsbedingte Gesundheitsschäden bei Kaninchen und Meerschweinchen in Privathaushalten und daraus resultierende Haltungsempfehlungen zur Durchführung des § 2 (3) Tierschutzgesetz. Diss.
  • Lidfors, L (1997): Behavioural effects of environmental enrichment for individually caged rabbits. Applied Animal Behaviour Science, 52(1-2), 157-169
  • Morgenegg, R (2007): Artgerechte Haltung – ein Grundrecht auch für (Zwerg-) Kaninchen. Tbv
  • Mulder A et al. (1992): Supplementary hay reduces fur chewing in rabbits. Tijdschrift Diergeneeskd 1992; 117: 655-658
  • Rothfritz P, Loeffler K, Drescher B (1992): Einfluss unterschiedlicher Haltungsverfahren und Bewegungsmöglichkeiten auf die Spongiosastruktur der Rippen sowie Brust- und Lendenwirbel von Versuchs- und Fleischkaninchen. Tierärztl Umschau 1992; 47: 758-768
  • Schillinger, V. (2023): Zwergkaninchen. So geht es deinen Tieren gut. kosmos
  • Schneider, B.; Döring, D. (2017): Verhaltensberatung bei kleinen Heimtieren: Haltung, Normalverhalten und Behandlung von Verhaltensproblemen. Schattauer Verlag.
  • Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT) (2019): Merkblatt Kaninchen [file:///C:/Users/schil/Downloads/TVT-MB_157_Heimtiere-Kaninchen_09.2019%20(12).pdf; abger. am 03.04.23]