Hands-On im Wetlab Heimtierzahnmedizin - "Lasst die Röntgenröhren glühen!“

Gerade für Kleinsäuger fehlt es in den Tierarztpraxen oft am nötigen Wissen und praktischen Können, um Zahnprobleme adäquat diagnostizieren und behandeln zu können. Im Rahmen der 8. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde (ÖGTZ), die am 22. Und 23. September in Salzburg stattgefunden hat, haben die beiden Heimtierspezialist:innen, Dr. Diana Ruf und Dr. Stefan Gabriel, gemeinsam eine Fortbildung mit Wetlab zum Thema Heimtierzahnmedizin abgehalten. Die ÖGTZ ist eine Vereinigung, die sich für die Förderung der Zahnheilkunde sowie der oralen und maxillofazialen Chirurgie im Bereich der Veterinärmedizin einsetzt, ebenso wie für die Fort- und Weiterbildung von Fachpersonal in diesen Bereichen.

Hands-On

Während der Tagung wurden mehrere Wetlabs veranstaltet. Der Begriff Wetlab kommt aus dem Englischen und bedeutet wörtlich übersetzt „nasses Labor“ – eine Fortbildung, bei der chirurgische Eingriffe durchgeführt werden, bei denen es eben auch mal „nass“ werden kann. Zu Beginn gab Dr. Diana Ruf eine Übersicht über die verschiedenen Dentalröntgentechniken, die für die Diagnostik beim Heimtierpatienten mit Zahnproblemen benötigt werden, und verriet Tipps und Tricks, wie mit der richtigen Lagerung der Patienten die Röntgenaufnahmen gelingen. Im Anschluss konnten die Lagerungstechniken direkt an Kaninchen- und Meerschweinchenkadavern geübt werden. Im Anschluss sprach Dr. Stefan Gabriel über Techniken und Instrumente zur Behandlung von Zahnproblemen beim Kleinsäuger. Angefangen beim Einschleifen der Backen- und Schneidezähne über die Extraktion von Backenzähnen bis hin zur Extraktion von Schneidezähnen. Auch diese Techniken konnten mithilfe von bereitgestellten Instrumenten und Endoskopen an Kadavern geübt werden. Die Kombination aus theoretischer Wissensvermittlung von erfahrenen Spezialist:innen und dem besonders großen Anteil an praktischen Übungen hat diese Veranstaltung zu einer tollen Fortbildung gemacht. Besonders Tierärzt:innen, die bisher wenig Erfahrung mit Heimtieren gemacht haben, konnten vom Wetlab Heimtierzahnmedizin sehr profitieren und haben hoffentlich Lust auf mehr bekommen.

Sowohl Dr. Diana Ruf als auch Dr. Stefan Gabriel haben sich zur Beantwortung einer Interviewfrage bereiterklärt.

Dr. Stefan Gabriel studierte an der TiHo Hannover Tiermedizin und war von 1992 bis 2023 Inhaber einer eigenen Kleintierpraxis in Meschede im Sauerland. Im Laufe seiner Berufslaufbahn spezialisierte er sich auf Zahnheilkunde bei Kleintieren. Im Jahr 2002 erhielt er die Zusatzbezeichnungen „Heimtiere“ und „Zahnheilkunde beim Kleintier“, im Jahr 2019 folgte der Fachtierarzt für Heimtiere. Er ist außerdem Autor des Buches „Praxisbuch Zahnmedizin beim Heimtier“ und hält regelmäßig Vorträge und Seminare auf nationalen und internationalen Kongressen. Der Tierarzt ist Gründungsmitglied der AG Kleinsäuger der DGK-DVG.

Herr Dr. Gabriel, auch für kleine Heimtiere stellt die 3D Bildgebung mittels CT eine hervorragende Möglichkeit der Diagnostik dar. Wieso ist das Dentalröntgen in der Zukunft dennoch unverzichtbar?

Dr. Stefan Gabriel: „Die DVT (Digitale Volumentomographie) ist wegen ihrer extrem hohen Auflösung sicherlich das Röntgenverfahren der Zukunft und vor allem für spezielle Fragestellungen in der Heimtier-Zahnmedizin ideal (zur genaueren Abgrenzung: "klassische" CT-Bilder erreichen meistens nicht die für elodonte Gebisse notwendige Ortsauflösung!). Der Wert des klassischen Röntgens darf darüber aber nicht vergessen werden: es ist in praktisch jeder Praxis verfügbar, schnell und kostengünstig. Für die Okklusionsdiagnostik benötigt man nur eine latero-laterale Schädelübersicht und kann mithilfe der Referenzlinien sofort eine Okklusionsstörung befunden. Dafür braucht es nicht mal ein spezielles Dentalröntgengerät. Das kann jede:r und sollte es auch immer sofort in jedem Verdachtsfall machen, weil die Okklusionsstörungen bei Kleinsäugern mit elodonten Zähnen eine hohe Eigendynamik entwickeln.

Und schließlich eben auch die Kostenfrage: In der Regel sind Kaustörungen bei Kleinsäugern akute Notfälle. Was nützt es dann, wenn die Tierhalter:innen erst für eine Überweisung zur (oft weit entfernten) DVT sparen müssen...“

Dr. Diana Ruf studierte von 1996 bis 2001 Tiermedizin an der LMU München. Seit 2006 ist sie in eigener Praxis im Süden Bayerns niedergelassen. Schon von Kindesbeinen an lagen ihr neben Hunden und Katzen die Belange von Kleinsäugern am Herzen. Ihr Ziel als Tierärztin ist es, dass Kleinsäuger in den Tierarztpraxen nicht mehr als "Patienten 2. Klasse" behandelt werden. Auch die Aufklärung der Tierhalter:innen über die speziellen Bedürfnisse von Kaninchen, Meerschweinchen und Co. ist ihr ein besonderes Anliegen. Die Tierärztin ist Mitglied im Vorstand der AG Kleinsäuger der DGK-DVG und auf deren Spezialistenliste gelistet.

Frau Dr. Ruf, welchen Rat können Sie Tierärzt:innen geben, die noch nicht viel Erfahrung mit der Zahnbehandlung von kleinen Heimtieren haben?

Dr. Diana Ruf: „Das ist wie bei fast allen tierärztlichen Tätigkeiten: Üben, üben, üben! Wichtig ist mir, dass man sich zunächst mit der Theorie der verschiedenen Röntgenlagerungen der verschiedenen Spezies vertraut macht und nicht Techniken von Hund und Katze einfach versucht zu übertragen, das funktioniert nämlich nicht. Aber nach der Theorie sollte man sich dann nicht aus Angst, es noch nicht gut zu können scheuen, diese so wichtigen Zahnröntgenaufnahmen zu machen. Übung macht hier wirklich den Meister und so, wie wir es uns kaum noch vorstellen können, wie lange wir direkt nach dem Studium gebraucht haben bei einer Kätzinnenkastration die Eierstöcke zu finden, so bekommt man auch bei den Speziallagerungen zum Zahnröntgen bei Kaninchen und Meerschweinchen bald immer mehr Routine, man macht immer bessere Bilder, die immer besser auswertbar sind und dann macht das Zahnröntgen bei Kaninchen und Meerschweinchen richtig Spaß! Noch viel zu oft sind Zahnerkrankungen bei Kaninchen, Meerschweinchen und Co. völlig unterdiagnostiziert, dabei sind gute, auswertbare Bilder kein Hexenwerk.

Mein Rat: Liebe Kolleg:innen: Traut euch, lasst die Röntgenröhren glühen!“