Listen & Learn - Social Listening und Erwartungserfüllung von Katzenbesitzer:innen

Susanne Voss & Anja Broich, Monheim

Die Wahrnehmung und Erwartung von Katzenbesitzer:innen an Tierarztprodukte sind nicht nur für das herstellende Unternehmen von Bedeutung, sondern gerade auch für Tierärzt:innen wesentlich, die dieses Produkt ihren Kund:innen erklären. Erwartungsmanagement von Kundenerwartungen ist in der täglichen Tierarztpraxis eine wichtige, meist unbewusst erfüllte Aufgabe.

Die Sentimentanalyse ist ein gutes Tool, die Kundensicht auf ein Produkt zu erhalten. Dabei kann analysiert werden, welches Gesamturteil (= eindimensionale Messungen) die Kund:innen zum Produkt fällen und welche Einzelmerkmale (= mehrdimensionale Messungen) von Kund:innen wahrgenommen bzw. erwartet werden. Damit besteht die Möglichkeit für Tierärzt:innen, erwartungsgerechte Informationen an die Katzenbesitzer:innen weiterzugeben. Die Ergebnisse der Analyse können von Unternehmen genutzt werden, um das Informations- und Serviceangebot zu dem analysierten Produkt erwartungs- und erfahrungsrelevant zu verbessern und damit Kundenzufriedenheit zu fördern.

Kundenzufriedenheit steht mit Erwartungen und der Richtung ihrer Erfüllung (z.B. Unter- oder Übererfüllung) in direktem Zusammenhang (Kopalle & Lehmann, 1995, S. 280). Daher macht es Sinn, das Thema Kundenerwartungen zum eigenen Produkt zu erforschen. Andererseits stehen Kundenerwartungen an ein Produkt auch direkt mit den anwendenden Tierärzt:innen im Zusammenhang. Erwartungen sind ein weit gefasster Begriff. In diesem Artikel wird die Marketingperspektive eingenommen, so dass zunächst das Thema Erwartungen systematisch beleuchtet wird.

Sicht und Erwartungen der Katzenbesitzer:innen auf das Produkt

Für den Hersteller eines Nierenproduktes für ältere Katzen (Porus® One) ist die Sicht der Katzenbesitzer:innen auf das Produkt und hier v.a. ihre Erwartungen an das Produkt und Erwartungserfüllung wichtig. Um mehr Einsichten in diesem Themenfeld zu erlangen, wurde hierzu die Strategie des „Social Listening“ ausgewählt. Zur Anwendung kam hierbei eine Sentimentanalyse. Sicherlich eine zunächst ungewöhnliche Methode, jedoch eine bislang unterschätzte Möglichkeit, nutzergenerierte Aussagen von Anwender:innen (End Usern) zu erhalten. In der Sentimentanalyse, die in diesem Fall durchgeführt vom Institut Insiusᵀᴹ wurde, werden soziale Medien wie Facebook & Instagram, sowie allgemein internetbasierte Plattformen (Websites, Shops, Foren, Blogs etc.) auf relevante Inhalte untersucht. Dazu bedient man sich einer spezifischen Software, die Websites systematisch crawlt (= durchsucht) und auf Basis von unterschiedlichen Methoden (z.B. Natural Language Processing, Opinion Mining) analysiert. Um wie in diesem Fall die Erwartungen (= Sentiments) der Kund:innen an das Produkt Porus® One zu erhalten, ist ein zusätzlicher Schritt notwendig, der eine Codierung einschließt. Die gewonnenen Inhalte sind freiwillige und unverfälschte Aussagen von Katzenbesitzer:innen, die sie öffentlich in digitaler Form aus intrinsischer Motivation mitteilen.

Tierhalter:innen betrachten ihre Tierärzt:innen nach wie vor als die vertrauenswürdigste Quelle für Informationen zur Gesundheit ihres Tieres und zu den angewendeten Produkten. Doch viele Tierhalter:innen wünschen sich darüber hinaus ergänzende Online-Informationen.

Dr. Dr. Susanne Voss, P0RUS

Messbarkeit von Erwartungen

Um Erwartungen von Kund:innen generell messbar zu machen, stehen unterschiedliche Messmöglichkeiten zur Wahl, die sich nach der Dimensionalität der Erwartung unterscheiden. Eindimensionale Messungen werden als Globalurteil eines Produktes erhoben (z.B. einfach nur positive Beurteilung) (vgl. Bruhn, 2013, S. 236). Die Messung von mehreren Einzelmerkmalen einer Leistung (wie etwa "senkt den Blutspiegel", "Katze spielt wieder") wird als mehrdimensional bezeichnet (vgl. Bruhn, 2013, S. 236). Beide Messungen lassen sich mit der Sentimentanalyse herausfinden. Hierbei lassen sich insbesondere solche Leistungsmerkmale / Wirksamkeiten analysieren, die für die Katzenbesitzer:innen relevant sind und nicht unbedingt die Unternehmenssicht darstellen.

Sentimentanalyse zeigt die positive Wirkung von Porus® One

Aus den insgesamt 51.072 Beiträgen zu Porus® One, ergaben sich in der Sentimentanalyse als Globalurteile nach Anwendung von Porus® One die folgende Sicht:

  • 86 % positive Erfahrungen
  • 9 % negative Erfahrungen
  • 5 % neutrale Erfahrungen

Die 86 % positive Erfahrungen sind im Zusammenhang mit mehrdimensionalen Verhaltensänderungen der Katze (frisst mehr, ist aufmerksamer, bewegt sich, erbricht weniger, nimmt an Gewicht zu) im Internet zu finden. Ebenso berichten Katzenbesitzer:innen darüber, dass sich nach Porus® One-Gabe die "Blutwerte verbessert" haben (z.B. gesunken sind im Blut die Werte für Kreatinin, Harnstoff, Phosphat & SDMA). Für Tierärzt:innen zeigen diese Ergebnisse einige Hinweise auf die Erwartungen und Erfahrungen ihrer Kund:innen an das bzw. mit dem Produkt. Die Sentimentanalyse ergab, dass die 9 % negativen Erfahrungen oftmals im Zusammenhang stehen mit einer fehlerhaften Anwendung. Auch hier können Erwartungen & Erfahrungen gesteuert werden, indem eine falsche Anwendung durch entsprechende Informationen von vorneherein vermieden wird.

Die Erwartungen der Tierhalter:innen bezüglich weiterführenden und umfangreichen Informationen zur Erkrankung und den anzuwendenden Produkten kann durch Tierärzt:innen positiv beeinflusst werden, ohne dass es markant mehr Zeit in Anspruch nimmt."

Anja Broich, PORUS GmbH

Lernen aus der Sentimentanalyse

Die Ergebnisse der Sentimentanalyse sind für ein strategisches Erwartungsmanagement wichtig. In diesem Fall wurden aus der Analyse gewonnene, erwartungsrelevante Produkt- und erfahrungsrelevante Anwendungsinformationen der Katzenbesitzer:innen aufbereitet und digital angeboten. Dazu wurden häufige Fragen und Antworten (FAQs) auf der Website entsprechend aktualisiert und zusätzlich Beiträge mit diesen erwartungs- bzw. erfahrungsrelevanten FAQs auf den Social Media-Kanälen veröffentlicht. Für die positive Erfahrungssteuerung wurde beispielsweise ein zusätzlicher QR-Code im Deckel der Verpackung angeboten, der den Anwender:innen detailliert die Anwendung (do's & don'ts) von Porus® One beschreibt. Damit sollen positive Erfahrungen unterstützt und Anwendungsfehler vermieden werden, die möglicherweise zu einer schlechten Erfahrung führen. Authentische Erfahrungsberichte von Anwender:innen, die diese freiwillig und unentgeltlich zur Verfügung gestellt haben, finden sich ebenfalls in den Social Media-Kanälen.

Was bedeutet das nun für praktizierende Tierärzt:innen?

Zum einen, dass Tierärzt:innen nicht mehr alleiniger Faktor für die Erwartungsbildung von Katzenbesitzer:innen nicht nur zu diesem speziellen tierärztlichen Produkt sind. Katzenbesitzer:innen fühlen sich teilweise als Expert:innen bzw. verdienen als Influencer:innen ihr Geld damit, ihr „Wissen“ anderen Katzenbesitzer:innen über Online-Kanäle wie Social Media mitzuteilen. Die Informationshoheit von Tierärzt:innen und Unternehmen schwindet damit. Für einen Großteil der Tierhalter:innen (78,6 %) steht bereits jetzt das Internet an erster Stelle als Informationsquelle über tiergesundheitliche Themen, wie eine britische Studie von Kogan et al. (2018, S. 3) aufzeigt.

Dennoch haben Tierärzt:innen weiterhin die Chance, die Erwartungsbildung ihrer Kund:innen positiv zu beeinflussen. Auch können Tierärzt:innen zur Erwartungserfüllung ihrer Kund:innen beitragen, indem sie diesen gewünschte Informationen zur Verfügung stellen, so dass tierärztliche Produkte korrekt angewendet werden. Allerdings erwarten Tierhalter:innen von ihren Tierärzt:innen teilweise umfangreiche und verständlich aufbereitete Informationen zu Produkten und Gesundheitsthemen (vgl. Janke et al., 2021, S. 7-8). Im tierärztlichen Alltag fehlt häufig die Zeit für ausführliche Kommunikation mit Tierhalter:innen über anzuwendende Produkte (vgl. Belshaw et al., 2018, S. 6). So gaben in der britischen Studie 42 % der Tierhalter:innen an, dass sie die sozialen Medien zur Recherche über Tiergesundheit nutzen, weil sie sich ausführlichere Erklärungen und Informationen zum Thema Tiergesundheit und Produkte wünschen, die über das Maß der durch die Tierärzt:innen zur Verfügung gestellten Informationen hinausgehen (vgl. Kogan et al., 2018, S. 5). Nur 4 % erklärten, dass sie online suchen, weil sie ihren Tierärzt:innen widersprechen oder den Informationen ihrer Tierärzt:innen nicht glauben (2,3 %) (vgl. Kogan et al., 2018, S. 5). Interviews mit kanadischen Tierhalter:innen ergaben, dass die Online-Suche nach Gesundheitsinformationen für das eigene Haustier nicht die Beratung durch Tierärzt:innen ersetzt (vgl. Lai et al., 2021, S. 8).

Tierhalter:innen betrachten ihre Tierärzt:innen nach wie vor als die vertrauenswürdigste Quelle für Informationen zur Gesundheit ihres Tieres und zu den angewendeten Produkten (vgl. Kogan et al., 2019, S. 436; vgl. Lai et al., 2021, S. 4). Doch viele Tierhalter:innen wünschen sich darüber hinaus ergänzende Online-Informationen. Tierhalter:innen wollen sich von ihren Tierärzt:innen an glaubwürdige Online-Informationsquellen zu Gesundheitsthemen und Produkten verweisen lassen (vgl. Lai et al., 2021, S. 8). Das begründet sich auch damit, dass es vielen Laien an Gesundheitskompetenz mangelt, um Gesundheitsinformationen ausreichend einzuordnen. (vgl. Kogan et al., 2009, S. 2) Hier können externe und unabhängige Tierhalter-Websites bzw. spezialisierte Tierarzt-Websites die Tierärzt:innen selbst entlasten und gleichzeitig die Erwartung der Tierhalter:innen bezüglich glaubwürdiger Informationen befriedigen. Die meisten Tierhalter:innen (>90 %) besuchen mit großer Wahrscheinlichkeit eine ihnen von Tierärzt:innen empfohlene Website egal, ob sie ihnen mündlich oder schriftlich mitgeteilt wird oder ob ihnen die Website auf einem Praxisrechner gezeigt wurde (vgl. Kogan et al., 2019, S. 437). Als Beispiele im Bereich Katzengesundheit stehen dafür:

    Allen Seiten ist gemeinsam, dass sie explizit die Zusammenarbeit mit Tierärzt:innen propagieren und mit tierärztlichen Expert:innen zusammenarbeiten bzw. selbst Tierärzt:innen ohne Praxis sind. Es zeigt sich zudem ein Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung der Tierhalter:innen hinsichtlich ihrer Beziehung zu ihren Tierärzt:innen und der Reaktion ihrer Tierärzt:innen auf die Offenlegung ihrer Online-Informationssuche zur Tiergesundheit (vgl. Lai et al., 2021, S. 7). Honorieren Tierärzt:innen den zeitlichen und mentalen Aufwand der Informations-Recherche im Internet und gehen auf die sich daraus ergebenen Fragestellungen der Tierhalter:innen ein, fühlen sich diese wahrgenommen und in die Therapie ihres Haustieres einbezogen (vgl. Lai et al., 2021, S. 7; vgl. Janke et al., 2021, S. 6). Das kann die Kooperationsbereitschaft und Therapietreue der Besitzer:innen bei der Therapie fördern (vgl. Brown, 2018, S. 7; vgl. Polzin, 2013, S. 206), was gerade bei chronischen Erkrankungen wichtig ist (vgl. Polzin, 2013, S. 205).

    Die Erwartungen der Tierhalter:innen bezüglich weiterführenden und umfangreichen Informationen zur Erkrankung und den anzuwendenden Produkten kann durch Tierärzt:innen positiv beeinflusst werden, ohne dass es markant mehr Zeit in Anspruch nimmt. Das kann die Therapietreue und damit die positive Wirkung von Produkten unterstützen, die Beziehung zwischen Tierärzt:innen und Tierhalter:innen stärken und sie zu loyalen Stammkund:innen werden lassen (vgl. Brown, 2018, S. 7). Damit zahlt sich eine Erwartungserfüllung langfristig für Tierärzt:innen aus.

    Quellen

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