Integration internationaler Kolleg:innen in die Praxis

Der in Deutschland bestehende Fachkräftemangel macht auch vor der Veterinärmedizin nicht halt. Vor allem in den ländlichen Regionen ist die Versorgung der Tiere, insbesondere nachts und an den Wochenenden, nicht immer flächendeckend gewährleistet. Deshalb wird von den Kammern und Verbänden sowie vom Dessauer Zukunftskreis intensiv nach Lösungen bzw. nach Maßnahmen gesucht, die den Tierärztemangel kurz-, mittel- und langfristig verringern können.

Eine Maßnahme, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist die Integration internationaler Kolleg:innen. Allerdings sind die Bestimmungen für eine Berufsausübungsgenehmigung für Tierärzt:innen mit einem in der EU erworbenen Abschluss, bzw. einen in Nicht-EU-Ländern in einzelnen Bundesländern nicht einheitlich geregelt. In beiden Fällen ist jedoch die Approbation sowie ausreichend gute (B2-Niveau) Deutschkenntnisse maßgeblich für eine nicht weisungsgebundene Ausübung des tierärztlichen Berufs in Deutschland. Tierärzt:innen, die das Studium der Veterinärmedizin in einem EU-Land abgeschlossen haben, müssen einen formalen Antrag auf Anerkennung der Approbation bei der zuständigen Stelle inkl. aller erforderlichen Unterlagen einreichen. Weiterhin sind die erforderlichen Sprachkenntnisse auf B2-Niveau nachzuweisen.

Gleichwertigkeitsüberprüfung

Für Kolleg:innen mit einem Abschluss, den sie außerhalb der EU erworben haben, ist das schwieriger. Neben den geforderten Deutschkenntnissen erfolgt für sie eine Gleichwertigkeitsüberprüfung ihrer tierärztlichen Ausbildung im Herkunftsland mit den in Deutschland bestehenden Anforderungen. Wird beschieden, dass die Anforderungen nicht dem Staatsexamen in Deutschland entsprechen, müssen entsprechende Kenntnisprüfungen an einem veterinärmedizinischen Fachbereich in Deutschland abgelegt werden. Dies kann inkl. Vorbereitungszeit und dem Ergattern von Prüfungsterminen unter Umständen Jahre dauern, je nachdem, wie viele solcher Kenntnisprüfungen verlangt werden und wie die individuellen Sprachkenntnisse sind (Kenntnisprüfungen in der Regel auf Deutsch). Es müssen jedoch mindestens die 10 rechtsrelevanten Prüfungen abgelegt werden. Ob noch weitere klinische Fächer geprüft werden, ist Ermessenssache der zuständigen Stelle, wo der Anerkennungsantrag gestellt wird. Unterstützung bei den Kenntnisprüfungen bietet die Lernplattform "Support4vetmed.de". Beim Erlernen der Fachsprache hilft der "Deutschkurs für Tierärzte" von Vetion.de.

Allerdings kann während des Anerkennungsverfahrens der tierärztliche Beruf mit einer vorübergehenden Berufserlaubnis ausgeübt werden, wenn die Abgeschlossenheit des Tiermedizinstudiums festgestellt wurde. Sie ist jedoch stets befristet. Eine solche Erlaubnis muss bei der zuständigen Stelle beziehungsweise Behörde beantragt werden. Eine Übersicht über die zuständigen Stellen findet sich auf www.vetworkgermany.com und auf www.hardenberg-consulting.de.

Eine vorübergehende Berufserlaubnis ist grundsätzlich stets widerrufbar, nicht gültig für hoheitliche Tätigkeiten (z.B. amtstierärztliche Aufgaben, Schlachttier- und Fleischuntersuchung) und gilt nur für unselbstständige Tätigkeit (z.B. als Assistent:in in einer Tierarztpraxis, im Angestelltenverhältnis in einem Institut). Außerdem ist die vorübergehende Berufserlaubnis auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis beschränkt und auf maximal 2 Jahre befristet (nur unter bestimmten Umständen verlängerbar). Nach Ablauf der Erlaubnis ist eine weitere Ausübung des tierärztlichen Berufs nur nach Erteilung der Approbation möglich.

Sieger der angespannten Situation sind die Arbeitgeber:innen, die mutig und weltoffen das bestehende Team international erweitern und Sprachbarrieren als Hemmnis für Entlastung und Wachstum progressiv beiseiteschieben."

Dr. Henrik Schwarz & Dr. Julia Henning, Dessauer-Zukunftskreis (DZK)

Trotz der teilweise großen bürokratischen sowie sprachlichen Hürden sind die Arbeitsbedingungen für Tierärzt:innen in Deutschland attraktiv: feste bzw. unbefristet Anstellungsverhältnisse, angemessene Gehälter, flexible Arbeitszeitmodelle und bezahlte, regelmäßige Fortbildungen - das sind Rahmenbedingungen, die in anderen Ländern noch lange nicht selbstverständlich sind.

Entsprechend wurden in den vergangenen Jahren jeweils bis zu 200 Approbationen von Tierärzt:innen anerkannt, die nicht in Deutschland geboren wurden und nicht an einer deutschen Hochschule studiert haben. Laut "Deutschem Tierärzteblatt" gab es im Jahr 2019 insgesamt 71 und 2022 150 Anerkennungen von Approbationen ausländischer Kolleg:innen gab. Ganz ähnlich verhält es sich mit den Genehmigungen der vorläufigen Berufsausübungserlaubnis: 94 in 2019, bzw. 156 im Jahr 2022. Damit stellen Immigranten bereits seit Jahren eine wichtige Säule für die tierärztliche Leistungserbringung. Insgesamt ist ihr Anteil mit acht Prozent an den aktiv im Beruf tätigen Tierärzt:innen aber noch gering. In der Human-/Zahnmedizin stammen 27 Prozent der Ärzt:innen aus dem Ausland. Hier gibt es also noch Fachkräftepotential.

Auf der sechssprachigen Jobplattform vetjobs24.com haben sich seit 2020 tierärztliche Arbeitnehmende aus über 100 Ländern registriert, die den deutschen Arbeitsmarkt aufmerksam beobachten. Hier sind die geographischen Spitzenreiter Kolleg:innen aus Italien, Portugal, Rumänien, Österreich, Ungarn, der Türkei, Pakistan und Indien.

Doch hält allein der Gedanke an sprachliche Kommunikationsprobleme viele deutsche Arbeitgeber:innen immer noch davon ab, fremdsprachlichen Mitarbeitende einzustellen. Dabei sind die ausländischen Kolleg:innen aus gutem Grund meist sehr motiviert, spätestens an ihrer neuen Arbeitsstelle vor Ort überraschend schnell Deutsch zu lernen. Jenseits der deutschen und der EU-Grenzen warten etliche darauf, mit Hilfe von vorhandenen Sprachkurs-Angeboten bei gleichzeitiger Unterstützung der Arbeitgebenden den deutschen Tiermedizin-Markt zu entlasten.

Und es funktioniert! Gewinner des aktuellen Tierärztemangels sind diejenigen Arbeitgeber:innen, die bereit sind, gut ausgebildete Tierärzt:innen ohne oder mit geringen Deutsch-Vorkenntnissen einzustellen. Der Mehraufwand bei der Bewältigung der Bürokratie sowie der Einarbeitung und etwas höhere Ausgaben durch Übernahme der Kosten für Sprachkurse, haben sich schon häufig als lohnenswerte Investition herausgestellt. Sieger der angespannten Situation sind diejenigen, die mutig und weltoffen das bestehende Team international erweitern und Sprachbarrieren als Hemmnis für Entlastung und Wachstum progressiv beiseiteschieben.

Zudem sind die Kammern und der Gesetzgeber aufgefordert, die bürokratischen Schritte zur Aufnahme einer tierärztlichen Tätigkeit zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Nicht zuletzt, um so die Versorgung der Tiere sicherzustellen und dem Staatsziel Tierschutz gerecht zu werden.

Autor:innen dieses Beitrages: Dr. Henrik Schwarz & Dr. Julia Henning für den Dessauer-Zukunftskreis