GOT-Anpassung 2022: Warum bei der Preiskommunikation die Wertevermittlung so wichtig ist!

Wenn es um das liebe Geld geht, werden die ein oder anderen Menschen schnell emotional. Nicht selten schrecken bereits jetzt Tierbesitzer:innen vor den Preisen für tierärztliche Leistungen zurück. Wie informiere ich nun meine Kundschaft, dass die Preise durch die anstehende GOT-Erhöhung spürbar steigen werden? Natürlich haben Sie als Tierärzt:in auch emotionale Berührungspunkte, denn den Haustieren soll es ja schließlich gut gehen. Dabei zählen tierärztliche Leistungen zu den immateriellen Dienstleistungen, deren Wert nicht visuell darstellbar sind. Im Vergleich zu anderen Dienstleistungsbranchen können zusätzlich die Kosten je nach Krankheitsverlauf variieren. Diese Ungewissheit ist schwierig für die Tierbesitzer:innen greifbar.

Der erste Merksatz lautet: Das Beste ist nicht für jeden das Richtige. Wir haben einen heterogenen Veterinärmarkt, der von der Grundversorgung bis hin zur hochspezialisierten Klinik auf nahezu humanmedizinischem Niveau mit CT, MRT und eigenem Inhouse-Labor alle Leistungen abdeckt. Gleichzeitig gibt es einen sehr hohen Anteil an Praxen, die unternehmerisch eher einer Non-Profit-Organisation gleichen. Es gilt zu akzeptieren, dass gute, qualitativ hochwertige Tiermedizin nicht für jeden Tierhaltenden das Richtige ist und das Angebot von überdurchschnittlicher Tiermedizin nicht für jede Vermögensklasse passt.

Fühle ich mich wohl mit den Preisen, die ich aufrufe?

Manch' Tierärzt:innen verfolgen ganz gerne mal das Prinzip der „Happy hour - all day long“. Aus sozialen Gedanken heraus sind sie oft verleitet, mit dem Geldbeutel der Halter:innen zu denken. Hier werden bei der Abrechnung gerne mal zwei Augen zugedrückt. Doch was passiert hier insgeheim? Bei der Nennung von Preisen spielt das persönliche Preisempfinden die entscheidende Rolle. Und zwar, ob sich derjenige mit den
Preisen wohl fühlt, die er aufruft.

„Das Match wird zwischen den Ohren gewonnen“- Boris Becker

Wir Menschen spüren sofort Unsicherheiten unseres Gegenübers. Wenn hier ein fehlendes Selbstbewusstsein von den Kund:innen wahrgenommen wird, dann fühlen auch diese sich nicht wohl und beginnen womöglich an der Behandlungsqualität zu zweifeln. Es ist ein Teufelskreis. Wenn Sie schon denken: „Eigentlich bin ich bzw. meine Leistung den Preis gar nicht wert”, dann ist das Match schon verloren.

„Meine Wahrnehmung ist, dass viele tierärztlich Tätige dazu neigen, ihre Leistungen unter Wert zu verkaufen. Aus vielen Gesprächen weiß ich, dass in der Tiermedizinbranche oftmals ein fehlendes Bewusstsein für den Wert erbrachter Leistungen besteht. Hinzu kommt die gern gestellte Falle der emotionalen Erpressung durch Tierbesitzer:innen“, so Raphael M. Witte.

Die Waagschale zwischen Preis und Wert

Die GOT gibt den rechtlichen Rahmen vor, dennoch variieren die Preisfestsetzungen zwischen dem 1,0- und 3,0-fachen GOT-Satz erheblich. Wir Menschen spielen bei Kaufentscheidungen immer die Waagschale: Was gebe ich raus (Preis) und was bekomme ich rein
(Wert)? Hier spielt das subjektive Empfinden die entscheidende Rolle. Wichtig zu verstehen: Kaufentscheidungen werden emotional getroffen und anschließend rational begründet. Wenn nun die Preise im Rahmen der GOT-Erhöhung steigen, muss im Umkehrschluss der Wert für Leistungen noch konsequenter kommuniziert werden als zuvor. Das subjektive Empfinden der Wertigkeit muss sich mit der Erhöhung des Preises angleichen, um die Waagschale zu halten. Doch wie schaffe ich es, den Wert tiermedizinischer Leistungen zu kommunizieren?

Wertevermittlung in der Preiskommunikation

Es gibt den Markeneffekt. Menschen kaufen längst nicht immer das billigste, sondern schauen auf Qualität und Marke. Ein Beispiel wäre ein Nike-Shirt, das im Vergleich zu einem Shirt ohne Markenlabel um das 10-fache teurer ist. „Marke macht Marge!“ – so lautet der Merksatz. Das Image, das Menschen mit einer Marke verbinden, gilt auch für Tierarztpraxen. Machen Sie daher Ihre Tierarztpraxis unbedingt zu einer Marke.

Das ist aber teuer!

Diesen Satz hört man immer wieder in der Tierarztpraxis und selbst bei einem 1,0-fachen Satz bleibt das Meckern nicht aus. Also was tun? Was steckt da eigentlich hinter? Antwort: Das Wertempfinden für die Leistung hat nicht gepasst! Der zweite Merksatz lautet demzufolge: „Einen Tag die Preise festlegen, dann 364 Tage den Wert vermitteln.“ Strukturierte unternehmerische Überlegungen, wieviel Gewinn Sie machen wollen, bzw. müssen, helfen das passende Preisniveau für Ihre Praxis zu erörtern. Berücksichtigen Sie hierbei die Ausstattung Ihrer Praxis, den Auslastungsgrad und andere Faktoren, um eine zielführende Entscheidung für das ganze Team zu treffen.

Preiskommunikation in der Tiermedizin: GOT 2022 - wie sag ich`s meinen Kunden?

Webinar mit Raphael M. Witte

Wie kann ich den empfundenen Wert für tierärztliche Leistungen verbessern?

Die folgenden 5 Punkte werden in der Webinar-Aufzeichnung anhand von praxisbezogenen Beispielen erläutert!

Tipp 1: Leistungstexte zu den GOT-Positionen hinzufügen

Es gibt in der neuen GOT 1006 Positionen, die alle einzeln auf der Rechnung aufgeschlüsselt werden müssen. Es empfiehlt sich, eine Rechnung mit der detaillierten Beschreibung der Leistungen zu erstellen, um so den Wert der erbrachten Leistung zu verdeutlichen. Ein praxisnahes Beispiel, wie dies bei der stationären Unterbringung umgesetzt werden kann, sehen Sie in der Webinar-Aufzeichnung.

Tipp 2: Der Jahres-Check

Impfung ist nicht gleich Injektion, sondern ein Jahres-Check! Vermitteln Sie den Wert entsprechend. Ihre tierärztliche Kompetenz ist eine gründliche jährliche Untersuchung eines Tieres, um präventiv Krankheiten zu erkennen und nicht allein die Injektion des Impfstoffes.

Tipp 3: Preisanfragen: Was kostet das denn bei Ihnen?

Ist Ihr Team auf solche Preisanfragen überhaupt vorbereitet? Das subjektive Empfinden der Anrufer:innen spielt hier eine wichtigere Rolle als der Preis. Der Wert der Leistung muss also kommuniziert werden, dies gilt schon am Telefon. Ein Kommunikationsleitfaden für Preisanfragen kann hier Abhilfe schaffen.

Tipp 4: Der wichtige Trick vor der Preisnennung

„Leistungs-Alzheimer“, so nennt Raphael Witte einen Effekt, der in der kurzen Zeitspanne zwischen dem Verlassen des Behandlungsraumes und der Bezahlung an der Anmeldung entsteht. Wird hier nur der Preis genannt, erinnern Tierbesitzer:innen oftmals gar nicht mehr, was tatsächlich alles gemacht wurde. Der Trick besteht darin, vor der Preisnennung die wichtigsten Positionen aufzuzählen, um die Wertigkeit der Behandlung zu verdeutlichen. Netter Nebeneffekt: Auch die später zahlenden Kund:innen im Wartebereich können das Gesagte mit verfolgen und somit die Wertevermittlung schon vor der Behandlung aufsaugen.

Tipp 5: Nutzen Sie Tools - veranschaulichende Medien helfen.

Ein klarer Appell an Sie: Bereiten Sie das Team auf die Preiskommunikation vor, denn dieser spürbare Anstieg wird für Nachfragen sorgen. Auch die Empfehlung von Tierkrankenversicherungen ist wichtiger als je zuvor. Die neuen Preise können Sie zum Beispiel anhand von Postern oder Flyern im Wartebereich erklären! Auch um die Versorgung aufrechtzuerhalten – Stichwort Kliniksterben – sind gute Argumente, um Ihre Kundschaft aufzuklären. Denn in den gängigen Medien wird die Erhöhung der Preise bereits ungünstig und teilweise falsch kommuniziert.

Ein dritter Merksatz zum Abschluss: Wenn es tatsächlich auch nach der erfolgten Aufklärung und Kommunikation noch heißt: „Das ist aber teuer!“, dann hilft nur zu sagen: „Gute Reise – kleine Meise!“ Sie können nicht alle Kund:innen um jeden Preis glücklich machen. Sie dürfen auch entscheiden, wen Sie als Kunden haben möchten. Seien Sie sich Ihres eigenen Werts bewusst, denn der tierärztliche Beruf ist einfach zu toll, um sich dieses Gefühl zu verderben. Daher seien Sie mutig und nehmen Sie sich die Preiskommunikation und Wertvermittlung zu Herzen.

Die Inhalte dieses Artikels sind in Kooperation mit Raphael M. Witte entstanden. Raphael ist Diplom Agrar-Ingenieur, zertifizierter Business Coach, zertifizierter Trainer für Erwachsenenbildung und seit 22 Jahren in der Veterinärbranche tätig. Seit 14 Jahren berät er selbstständig mit RUHMService Consulting Tierarztpraxen und -kliniken als Business Consultant, insbesondere in den Bereichen Marketing, Management und Kommunikation.