Die Corona-Pandemie – ein Virus und seine Auswirkungen auf die Tiermedizin

Als Praxisberater werde ich in diesen Tagen öfter gefragt: „Herr Witte, wann ist der Corona-Spuk vorbei und alles wieder wie vorher?“ Meine Antwort: „Wollen Sie meine ehrliche Meinung wissen? Ich glaube, das wird niemals vorbei sein!“ In hoffentlich absehbarer Zeit werden Medikamente oder ein Impfstoff entwickelt, der die Todesraten senkt und Corona zu einem Virus macht, mit dem wir umgehen können. Dennoch werden uns grundlegende Veränderungen erhalten bleiben.

Die Tierarztpraxis in Zeiten der Corona-Epidemie

Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt war Corona vor allem in den Medien präsent. In Tierarztpraxen löste die Epidemie zunächst keinen akuten Handlungsbedarf aus. Aber irgendwann ging alles blitzschnell. Innerhalb von zwei, drei Tagen überschlugen sich die Ereignisse, auch in Tierarztpraxen mussten schnelle Entscheidungen gefällt und Planungen an die neue Situation angepasst werden. In solchen Situationen ist eine eingespielte Routine in der Durchführung von Teammeetings ein entscheidender strategischer Vorteil. Denn viele neue Fragen müssen geklärt werden:

• Woher bekommen wir jetzt noch unsere Desinfektionslösung? 


• Wer liefert uns auch jetzt zuverlässig Mundschutzmasken? 


• Sind alle für uns wichtigen Medikamente weiterhin lieferbar? Wer liefert zuverlässig? 


• Sollen wir Kunden mir chronischen Patienten empfehlen, Medikamente auf Vorrat zu kaufen? 


• Wie weisen wir unsere Kunden darauf hin, dass Händeschütteln auch in der Tierarztpraxis gefährlich ist und vermieden werden muss? 


• Ein Teammitglied ist erkrankt. Wie klären wir einen Verdacht auf Corona schnellstmöglich? Wie gehen wir mit einem positiven Ergebnis um? 


• Können Tiere an Corona erkranken oder die Krankheit sogar übertragen? 


Mitarbeiterschutz versus wirtschaftliche Interessen

In nahezu allen Tierarztpraxen sind zum aktuellen Zeitpunkt umfangreiche Hygiene- und Schutzmaßnahmen umgesetzt worden. Nicht jeder Tierhalter zeigt sich dabei sofort einsichtig, aber dennoch sind heftige Widerstände bisher zum Glück nicht aufgetreten. Ein Beispiel aus der Praxis: Ich habe ein Praxisteam begleitet, das heute den letzten Tag als vollständiges Team gearbeitet hat. Ab nächste Woche arbeiten die Mitarbeiter abwechselnd in zwei komplett voneinander getrennten Teams. Die Aufteilung in Team A und Team B wurde vorsorglich vorgenommen, um das Risiko, dass die Praxis komplett schließen muss, zu reduzieren. Ist ein Team durch einen Krankheitsfall zur Quarantäne gezwungen, übernimmt das andere Team den kompletten Betrieb. Wie lange diese Maßnahme notwendig sein wird, ist aktuell offen. Klar ist aber, dass die deutlich reduzierte Arbeitszeit der Mitarbeiter von Anfang an wirtschaftliche Einbußen für alle Beteiligten bringt. Die Option Kurzarbeit kann die finanziellen Verluste zumindest kurzfristig abmildern, eine langfristige Planung ist zurzeit nicht möglich. Alle Beteiligten müssen – wie in anderen Branchen auch - die Situation gemeinsam mit großer Flexibilität meistern.

In Nordrhein-Westfalen haben aktuell beide Tierärztekammern verkündet, dass die tierärztliche Versorgung der Haustiere auch im Krisenfall aufrechterhalten bleiben soll. Für jedes Teammitglied wurde zusätzlich eine Erklärung des Arbeitgebers vorbereitet, die aussagt, dass der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin unabkömmlich ist. Mit diesen präventiven Maßnahmen ist die Arbeitsfähigkeit der Praxis auch für den Fall einer Ausgangssperre sichergestellt.

Ein gutes Team findet gute Lösungen

Damit auch besorgte Kunden über die präventiven Schutzmaßnahmen informiert sind, mache ich noch schnell ein aktuelles Foto des gesamten Teams. Ich setze es später auf die Facebook-Seite der Praxis. Dass zahlreiche Kunden so erreichbar sind, erleichtert die Kommunikation sehr, nicht nur in schwierigen Zeiten. Trotz der guten Rahmenbedingungen verabschieden sich die Teammitglieder mit sichtlich ungewohntem Gefühl ins Wochenende – niemand weiß, was die nächste Woche wirklich bringen wird. Dennoch: Mitarbeiter und Leitung sind gut vorbereitet und haben alles getan, um ihren Kunden auch in den nächsten schwierigen Wochen einen guten Service und professionelle Sicherheit bieten zu können.

Meine beruhigende Beobachtung in dieser außergewöhnlichen Situation: Unumgängliche Distanz, Separation, Abschottung oder Quarantäne führen nicht zwangsläufig dazu, dass ein menschliches Miteinander im Praxisteam unmöglich wird. In diesem positiven Beispiel ist eher das Gegenteil der Fall. In der Not findet ein gutes Team auch gute Lösungen, der Praxisberater unterstützt und optimiert den Prozess. Im Ergebnis werden so menschliche und wirtschaftliche Einbußen minimiert und Krisen erfolgreich bewältigt.

Ein Virus als Evolutionsbeschleuniger der Tiermedizin

Unstrittig ist: Die aktuelle Situation bringt zahlreiche Bereiche unserer Arbeitswelt an ihre Grenzen. Dabei hat auch schon vor Corona wohl kaum jemand darunter gelitten, dass es in der Branche zu wenige Veränderungen gibt – ganz im Gegenteil. Die aktuelle Pandemie sorgt nochmals für eine spürbare Beschleunigung. So entwickelt sich momentan zum Beispiel die Telemedizin als praktikable und sinnvolle Ergänzung zum persönlichen Tierarztbesuch. In der aktuellen Notsituation bieten bereits erste Praxen Video-Sprechstunden als Alternative an. Das wäre vor Corona nicht denkbar gewesen. Denn bisher hatten die meisten Tierärzte diese unpersönliche Art der Behandlung als nicht sinnvoll abgelehnt. In der Not aber – das mussten viele erkennen - ist die Video-Sprechstunde eine wichtige Ergänzung zum herkömmlichen Arztbesuch. Auch im Bereich Fortbildung ändern sich in Corona-Zeiten die Angebote. Webinare und E-Learnings sind die einzig möglichen Maßnahmen, z.B. für Menschen in Quarantäne. Präsenz-veranstaltungen wurden in den letzten Wochen häufig komplett gestrichen – wegen Erkrankungen oder aus Angst vor Ansteckung. Die neuen Angebote sprießen wie Pilze aus dem Boden – auch diese Entwicklung wäre vor einigen Monaten nicht vorstellbar gewesen.

Not macht erfinderisch und wirkt häufig als Entwicklungsbeschleuniger.

Auch wenn die Vorstellung einer fortschrittlichen, von neuen Methoden, Erkenntnissen und Ideen geprägten Zukunft heute oft schwer vorstellbar ist – ich bin sicher, dass die Entwicklung dorthin geht, in eine neue zeitgemäße, attraktive und spannende Zukunft.2

Raphael M. Witte, Dipl.-Ing. agr.

Auch für mich als Praxisberater ist der Skype-Call eine sinnvolle Option, um Tierarztpraxen strategisch auf das vorzubereiten, was noch kommt. Schnell, unkompliziert und zeitsparend können so die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit strategischen Maßnahmen angegangen werden. Genauso schnell kann Beratung erfolgen, wenn eingeschlagene Wege optimiert oder auch korrigiert werden müssen. Corona ist für uns alle eine neue Erfahrung, wir können unser Handwerkszeug einsetzen, lernen aber auch im laufenden Prozess, die Tools optimal an die neue Situation anzupassen. Auch hierfür bieten die neuen technischen Möglichkeiten hervorragende Grundlagen, schnell einzugreifen und zu reagieren.

Umfrage zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Tierarztpraxen

„Wie ist die Situation in den Tierarztpraxen zurzeit? Wie schätzen Praxisinhaber und ihre Teams die wirtschaftlichen Auswirkungen ein? Können die Praxen die wirtschaftlichen Auswirkungen kompensieren? Welche Informationen und Maßnahmen werden dafür benötigt?“ Auf diese Fragen gibt es bislang keine Antworten. Dabei ist eine Einschätzung der Situation für die weitere Entwicklung sinnvoller Beratungstools in schwierigen Zeiten wichtig. Auch für die politische Lobbyarbeit sind die Ergebnisse eine gute Basis. Machen Sie mit, wir brauchen Ihre Rückmeldung. Beteiligen Sie sich an der Umfrage. Schenken Sie uns 10 Minuten Ihrer Zeit und füllen Sie die Umfrage aus. Alle Mitglieder des tierärztlichen Praxisteams können teilnehmen. Alle Infos und den Link zur Umfrage finden Sie unter www.ruhmservice.de/corona

Auch die Corona-Krise wird eine Story hinterlassen

In einer Tierarztpraxis fließen nicht selten Tränen der Trauer wegen Krankheit und Tod, aber auch Freudentränen, wenn sich ein Tier erholt oder Nachwuchs geboren wird. In ähnlicher Dichte erreichen uns aus Italien zurzeit die furchtbaren Bilder von Särgen, gestapelt auf Militär-LKWs und Beerdigungen im Minutentakt, gefolgt von den Aufnahmen musizierender Menschen auf ihren Balkonen. Wir sehen Satellitenbilder, die die Industriegebiete Chinas und Italiens frei von Smog zeigen und vor Monaten unvorstellbar waren. Die Krise – soviel ist schon jetzt absehbar - wird eine unfreiwillige, aber positive Begleiterscheinung haben: 2020 wird der CO2-Ausstoß der Menschheit zum ersten Mal fallen.

Könnte es am Ende sogar sein, dass das Virus unser Leben in eine Richtung dreht, die ohnehin längst überfällig war, aber ohne diesen drastischen Einschnitt keine Chance hatte? Wenn ein Virus diese Kraft der Veränderung hat, wozu wären wir in der Lage, wenn wir wirklich eine Veränderung herbeiführen wollten? Bald – so kann man nur hoffen - wird sich ein Gefühl einstellen, das wir alle aus verschiedenen Situationen kennen: das Gefühl, die Angst erfolgreich überwunden zu haben. Wenn es so weit ist, wird das Angst-Adrenalin durch Dopamin ersetzt. Dopamin ist ein körpereigener Neurotransmitter des zentralen Nervensystems, eine Droge im positiven Sinne. Mit einem hohen Dopamin-Spiegel schmieden wir tolle Zukunftspläne, mit Dopamin haben wir Visionen, wohin die Reise gehen könnte, mit Dopamin handeln wir zukunftsorientiert und vorausschauend.

Auch wenn die Vorstellung einer fortschrittlichen, von neuen Methoden, Erkenntnissen und Ideen geprägten Zukunft heute oft schwer vorstellbar ist – ich bin sicher, dass die Entwicklung dorthin geht, in eine neue zeitgemäße, attraktive und spannende Zukunft.