Scottish Fold: Strahlen gegen Qualen

Jan Kuntz & Alena Soukup, Linsengericht

Katzen beeindrucken uns zweifelsfrei mit ihrem Charakter und mit ihrem Ausdruck. Dies gilt auch dann noch, wenn der Ausdruck wie bei der Scottish Fold durch das Erscheinungsbild und einen Rassestandard an unsere Schönheitsideale angepasst ist. Dies erklärt auch, dass sich diese Katzen trotz aller Informationen und Aufklärung nach wie vor auch hierzulande großer Beliebtheit ausgesetzt sehen. Zweifelsfrei sind diese Tiere nicht nur in ihrer Kommunikation eingeschränkt, die Ursache der Faltohren ist immer auch Ursache einer systemischen Knorpelproblematik, die allerdings sehr variabel ausgeprägt sein kann. Wie auch bei der Osteoarthrose gilt für die fortschreitenden Knorpelveränderungen der Osteochondrodysplasie, dass die makroskopisch oder radiologisch sichtbaren Veränderungen nicht zwangsläufig mit dem Schweregrad der auftretenden Schmerzen korrelieren. Auch geringe Veränderungen können zu massiven Beeinträchtigungen, Einschränkung des Bewegungsradius und merklich reduzierter Lebensqualität führen.

Genetik

Grundlegender Faktor sowohl für die Ausbildung der Faltohren als auch für die Problematik der Osteochondrodysplasie ist eine Mutation des Ionenkanals TRPV4 (Transient Receptor Potential Vanilloid 4). Dieser Ionenkanal ist einerseits als mechanosensitiver Kanal relevant [3], andererseits in mesenchymalen Zellen wie Chondozyten, Osteoklasten und Osteoblasten stark exprimiert, wo seine korrekte Funktion entscheidend für die Zelldifferenzierung und die Gewebshomöostase ist. Je nach Lesart und Quelle handelt es sich sowohl bei den Fold Ohren wie auch bei der Osteochondrodysplasie um eine dominante bzw. unvollständig dominante Merkmalsausprägung. [1, 5]

Gelenkproblem und OCD und warum überhaupt schmerzhaft

Eine zweifelsfreie, detaillierte und lückenlose Beschreibung aller beteiligten Schmerzmechanismen besteht nicht. Homozygote Tiere entwickeln häufig massive Deformationen der Gelenke, radiologisch deutlich veränderte metatarsale und metakarpale Metaphysen, verkürzte Gliedmaßen und teils deformierte Wirbelkörper.[4] Die Schmerzhaftigkeit dieser Missbildungen, zum Teil durch klinisch offensichtliche mechanische Einschränkungen, liegt auf der Hand. Aber auch heterozygote Tiere können unter klinisch und radiologisch deutlichen Veränderungen leiden. Darüber hinaus ist von einer komplexen Kaskade der Schmerzentwicklung auszugehen, die in Teilen den Grundlagen der Osteoarthritis entspricht. Es ist aber auch bekannt, dass TRPV4 eine Rolle bei der Ausbildung einer Hyperalgesie spielt, sodass ein Zusammenhang mit dem Schmerzgeschehen bei der Scottish Fold möglich ist. [3] Aus diesen Gründen unterliegen Scottisch Fold Katzen rechtlichen Einschränkungen und sind von Verbänden teils von der Registrierung ausgeschlossen. Die Zucht ist in mehreren Ländern, basierend auf zum Teil sehr unterschiedlichen Argumentationsketten reglementiert bzw. verboten. Ein Zuchtverbot besteht aktuell unter anderem in Österreich, den Niederlanden und Teilen Belgiens. In Deutschland scheint die Situation weniger eindeutig zu sein, in wenigstens einem Gerichtsurteil wurde die Scottish Fold Zucht aber bereits grundsätzlich als Qualzucht verboten. [6]

Therapeutische Optionen bei Osteochondrodysplasie

Die Vorgehensweise bei bestehender Osteochondrodysplasie beruht im Wesentlichen auf einer Kontrolle der Schmerzen und der Begleitumstände, soweit dies möglich ist. Dies schließt nicht nur die gängigen nichtsteroidalen Schmerzmittel und Gabapentinoide ein. Auch die zulassungsüberschreitende Anwendung von Amantadin bzw. Derivaten und der Einsatz monoklonaler Antikörper werden praktiziert und diskutiert. Ergänzungsfuttermittel die chondroprotektive Eigenschaften haben sollen werden eingesetzt, ohne dass ein Nutzen bei der Scottish Fold überzeugend be- oder widerlegt ist. Auch die chirurgische Intervention ist bei massiven mechanischen Einschränkungen beschrieben [8,9]. Darüber hinaus wird der Einsatz der Strahlentherapie zur Schmerzreduktion praktiziert [2,7,9]. Kombinationen unterschiedlicher Therapien werden eingesetzt [9]. Allen Therapieansätzen ist gemein, dass sie eine kurz- bzw. mittelfristige Verbesserung ergeben, die Grundproblematik aber nicht geheilt werden kann und die betroffenen Katzen das Alter gesunder Artgenossen in der Regel nicht erreichen.

Strahlentherapie bei Osteochondrodysplasie der Scottish Fold Katze

Die Strahlentherapie findet nicht nur in der Behandlung unterschiedlicher Tumoren ihre Anwendung, sie wird auch seit jeher bei gutartigen Erkrankungen und zur Schmerzreduktion genutzt. Während in den Anfängen Röntgenstrahlen bei allen erdenklichen Krankheitsbildern erprobt wurden, bestehen heute in der Humanmedizin klare Leitlinien und Evidenz zur Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen [10]. Die Wirkmechanismen sind dabei nicht alle vollständig geklärt.

In der Tiermedizin findet die Strahlentherapie hauptsächlich niedrigdosiert bei der Osteoarthritis Anwendung. Hier sollte sie als Teil einer multimodalen Therapie gesehen werden, eine Kombination mit Physiotherapie ist sinnvoll. Die Strahlentherapie bei der Osteochondrodysplasie ist bei der Scottish Fold zwar beschrieben, Protokolle aus großangelegten Studien bestehen bislang nicht. Dies liegt zum Teil auch in der unterschiedlichen Zielsetzung begründet. Die hier beschriebenen Fälle wurden mit deutlich palliativem Fokus bestrahlt, neben der reinen symptomatischen Schmerzreduktion zielte die Therapie aber auch auf eine verlangsamte Progression ab. Die Mehrzahl der Scottish Fold Katzen werden in einem fortgeschrittenen Stadium zur Strahlentherapie vorgestellt, in dem radiologisch und klinisch deutliche Veränderungen auffallen, die Schmerzmedikation nicht mehr ausreichend hoch dosiert werden kann und die Lebensqualität bereits weitgehend eingeschränkt ist.

Unser Strahlentherapieprotokoll sieht in diesen Fällen drei Fraktionen mit einer Einzeldosis von 5 Gy binnen einer Woche vor. Der gesamte Querschnitt wird dabei mittels Elektronen (18 MeV) bestrahlt. Obwohl diese Dosis deutlich über der Dosis einer reinen Schmerzbestrahlung liegt (typisch 0,5 - 2 Gy), konnten wir bislang keine unerwünschten Nebenwirkungen z.B. der Haut beobachten, das Protokoll ist damit sehr gut verträglich.

Exemplarisch wird der Fall einer Katze geschildert, die mit 24 Monaten zur Strahlentherapie vorgestellt wurde. Die Patientin sei schon immer schlecht gelaufen, mit Meloxicam als Bedarfsmedikation im Haus allerdings gut zurechtgekommen und habe den Wohnraum auf mehreren Ebenen genutzt. Das Springen auf Kratzbaum und Regale sei regelmäßig üblich gewesen. Innerhalb der vier Monate vor Erstvorstellung sei allerdings eine zunehmende Verschlechterung festzustellen, die trotz einer Erhöhung der Schmerzmedikation deutliche Auswirkungen hatte. Die Besitzer berichten eine deutlich reduzierte Bewegungsfreude, Sprünge über mehr als 50 cm Höhe seien die Ausnahme. Bei der allgemeinen Untersuchung zeigte sich die Katze ängstlich aber aufmerksam und auch bei der Palpation der Gelenke nicht aggressiv. Die Tarsalgelenke stellten sich klinisch deutlich verdickt dar, subjektiv schienen sie etwas verkürzt und geringgradig rotiert.

Die Katze wurde insgesamt drei Mal innerhalb einer Woche (Mo-Mi-Fr) in Allgemeinanästhesie (Einleitung: Propofol, Erhaltung: Sevofluran) an beiden Hintergliedmaßen bestrahlt. Die Fraktionsdosis von 5 Gy wurde über einen Zeitraum von 52 Sekunden eingestrahlt, die gesamte Behandlung von der allgemeinen Untersuchung bis zum Herausgeben des wachen Patienten dauerte jeweils ca. 45 Minuten.

Bereits eine Woche nach Ende der Strahlentherapie berichteten die Besitzer von einem Rückgang der Schwellung und besserer Beweglichkeit der Gelenke, ohne dass sich der Bewegungsradius merklich vergrößert hätte. Im Verlauf der nächsten drei Wochen eroberte der Patient die Wohnung wieder auf allen Ebenen und höhere Sprünge wurden beobachtet. Die Bedarfsmedikation wurde zunächst reduziert und im weiteren Verlauf auf Ausnahmesituationen beschränkt. Die allgemeine Aktivität erhöhte sich, für die Besitzer wichtiger Indikator war eine merklich erhöhte Futteraufnahme ohne Gewichtszunahme. Die Einrichtung der Katzenbereiche wurde trotz der verbesserten Allgemeinsituation so gewählt, dass die Katze möglichst nur auf und von moderaten Höhen springt, um Stoßbelastung zu vermeiden. Im weiteren Verlauf bewegte sich die Patientin auch aktiv im Garten.

16 Wochen nach Ende der Strahlentherapie starteten die Besitzer die regelmäßige Gabe monoklonaler Antikörper, woraufhin sie noch einmal einen Zugewinn an Lebensqualität und eine subjektiv gesteigerte Aktivität berichteten. 44 Wochen nach Strahlentherapie ist die Patientin in einem unverändert guten Zustand.

Wirkung der Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen

Die positiven Auswirkungen niedriger Dosen ionisierender Strahlung auf sterile Entzündungen ist lange bekannt. Diese reichen von der verminderten Adhäsion von Monozyten und Granulozyten an Endothelzellen bis hin zur induzierten Apoptose von Monozyten in entzündeten Geweben. Dadurch reduziert sich die Anzahl inflamatorischer Makrophagen im Gewebe. In Summe reduziert sich die induzierbare Stickoxid-Synthase (iNOS), die Stickoxid-Produktion und die zytotoxische Aktivität im Gewebe sowie die Ödembildung. Bei steigender Beweglichkeit der Gelenke reduziert sich das Fortschreiten degenerativer Prozesse. Die Lebensqualität der Tiere ist durch einen Schmerzrückgang deutlich gesteigert. Bei höheren Dosen wie in diesem Beispiel ist zusätzlich von einem Wachstumsstopp der proliferativen Prozesse bzw. einer Entlastung durch eine Volumenabnahme auszugehen, was ebenfalls zu verbesserter Beweglichkeit und Schmerzreduktion beiträgt.

Die Strahlentherapie benigner Erkrankungen sollte nie als Monotherapie gedacht werden, sondern immer als Baustein eines sorgsam konzipierten Gesamtkonzeptes, in dem sowohl medikamentöse Therapie, Chirurgie, Strahlentherapie als auch Physiotherapie und Bewegungsmanagement sowie eine adäquate Diät eine Rolle spielen.

Statement zu Qualzuchten

Scottish Fold Katzen sind zweifelsfrei häufig von massiven skelettalen Problemen betroffen, auch wenn die tatsächliche Morbidität kontroversen Diskussionen unterliegt. Als Spezialzentrum haben wir einen sehr fokussierten Blick auf die Erkrankung, nicht auf die Gesamtpopulation. Dennoch ist zu betonen, dass die uns vorgestellten Patienten eine massive Symptomatik zeigen und Schmerzen und Leiden ertragen. Auch bei einer vollständigen und mittelfristigen Kontrolle der Symptomatik sollten sich Tiermedizinerinnen äußerst kritisch mit den Problemen dieser Rasse auseinandersetzen.

Literatur

  • [1] B. Gandolfi et al.: A dominant TRPV4 variant underlies osteochondrodysplasia in Scottish fold cats. In: Osteoarthritis and Cartilage. Band 24, Nr. 8, August 2016, S. 1141–1150, doi:10.1016/j.joca.2016.03.019.
  • [2] Madeleine Hubler, Mathias Volkert, Barbara Kaser-Hotz, Susi Arnold: Palliative irradiation of Scottish Fold osteochondrodysplasia. In: Veterinary Radiology & Ultrasound. Bd. 45, Nr. 6, 2004, ISSN 1058-8183, S. 582–585, doi:10.1111/j.1740-8261.2004.04101.x.
  • [3] Nicole Alessandri-Haber, Olayinka A. Dina, Elizabeth K. Joseph, David B. Reichling and Jon D. Levine: Interaction of Transient Receptor Potential Vanilloid 4, Integrin, and Src Tyrosine Kinase in Mechanical Hyperalgesia, Journal of Neuroscience 30 January 2008, 28 (5) 1046-1057; https://doi.org/10.1523/JNEURO...
  • [4] Sartore S, Moretti R, Piras LA, Longo M, Chessa S, Sacchi P. Osteochondrodysplasia and the c.1024G>T variant of TRPV4 gene in Scottish Fold cats: genetic and radiographic evaluation. J Feline Med Surg. 2023 Dec;25(12):1098612X231211763. doi: 10.1177/1098612X231211763. PMID: 38055304; PMCID: PMC10811760.
  • [5] Takanosu M, Takanosu T, Suzuki H, Suzuki K. J, Incomplete dominant osteochondrodysplasia in heterozygous Scottish Fold cats. Small Anim Pract. 2008 Apr;49(4):197-9. doi: 10.1111/j.1748-5827.2008.00561.x. PMID: 18339089
  • [6] VG Ansbach, Urteil vom 16.11.2020 - AN 10 K 19.00988, https://tierschutz.hessen.de/t...
  • [7] Fujiwara-Igarashi A, Igarashi H, Hasegawa D, Fujita M. Efficacy and complications of palliative irradiation in three Scottish Fold cats with osteochondrodysplasia. J Vet Intern Med 2015;29(06):1643–1647
  • [8] Mathews KG, Koblik PD, Knoeckel MJ, Pool RR, Fyfe JC. Resolution of lameness associated with Scottish Fold osteodystrophy following bilateral ostectomies and pantarsal arthrodeses: a case report. J Am Anim Hosp Assoc 1995;31(04):280–288
  • [9] Nakajo T, Fujita Y, Ichinohe T, Maruo T. Combined Surgical, Radiation, and Medical Therapies for Osteochondrodysplasia in a Scottish Fold Cat. J Am Anim Hosp Assoc. 2020 May/Jun;56(3):175. doi: 10.5326/JAAHA-MS-6980. Epub 2020 Mar 17. PMID: 32182117.
  • [10] R. Mücke, O. Micke, M.H. Seegenschmiedt, S2e Leitlinie Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen-Version 3.0, 19.11.2022