Tiermedizin trifft Genetik – auch bei Katzen ein Thema!

Genetisch bedingte Erkrankungen der Katze mit orthopädisch-neurologischen Symptomen

Auf der diesjährigen Tagung der Arbeitsguppe Katzenmedizin der DGK-DVG in Dortmund (31.08./01.09.2024) ging beim Posterwettbewerb der Publikumspreis an die Autorinnen des Posters mit dem Titel: „Auftreten der MDR1(ABCB1)-Variante bei Katzen“. Die bei Hunden ausführlich untersuchte sogenannte MDR1-Genvariante, die mit einer Arzneimittelunverträglichkeit direkt korreliert, wurde in der Vergangenheit auch bei Katzen mehrfach im Zusammenhang mit klinischen Anzeichen einer Neurotoxizität nachgewiesen.

In der beschriebenen Studie wurde die Häufigkeit des Auftretens der für den Transporterdefekt verantwortlichen Genvariante (ABCB11930_1931delTC) bei verschiedenen Katzenrassen untersucht. Von den insgesamt 200 Katzen waren 174 Maine Coon, von denen 6 Tiere (3 %) heterozygot und eines (0,5 %) homozygot für die ursächliche Genvariante waren. Die homozygot betroffene Katze hatte bestätigte klinische Anzeichen für Neurotoxizität nach der Anwendung von Ivermectin gezeigt. Die Ergebnisse der vorgestellten Studie legen nahe, dass weitere Forschung an dieser Stelle notwendig ist und dass wir als Tierärzt:innen bei unspezifischen Toxizitätszeichen auch bei Katzen, besonders bei Maine Coon, die MDR1-Genvariante über den verfügbaren Test analysieren sollten.

Während bei Hunden inzwischen hunderte verschiedener Gentests etabliert sind, ist die Liste der für die Katze zur Verfügung stehenden Tests, besonders mit Fokus auf genetisch bedingte Erkrankungen mit orthopädisch-neurologischen Symptomen, noch überschaubar. Häufig betreffen diese Genvarianten die eher seltenen Katzenrassen und sind deshalb in der tierärztlichen Praxis weniger präsent. Die Erkrankungen manifestieren sich meist schon in den ersten Lebenstagen oder -wochen und führen zu einem frühen Tod der betroffenen Kitten. Auch wenn manche dieser Erbkrankheiten nicht zu therapieren sind, ist es wichtig, eine Diagnose anhand eines Gentests zu stellen, um Entscheidungssicherheit zu erlangen.

Doch gibt es auch Genvarianten, die erst bei der (jungen) erwachsenen Katze zu klinischen Symptomen führen und bei denen diese Erkrankung nur eine von mehreren Differentialdiagnosen ist. In diesen Fällen ist es umso wertvoller, eine eindeutige Diagnose mittels Gentest zu erhalten.

Neben der spinalen Muskelatrophie (SMA), dem kongenitalen myastenen Syndrom (CMS) und der genetisch bedingten Hypokaliämie sind es vor allem Speicherkrankheiten, die Entwicklungsstörungen, klinisch-orthopädische oder neurologische Symptome sowie häufig eine stark verkürzte Lebenserwartung bedingen. Dabei führen angeborene Defekte im katabolen Stoffwechsel dazu, dass Stoffwechselprodukte nicht abgebaut, sondern in den Zellen angehäuft werden.

So kommt es bei den Mucopolysaccharidosen Typ VI (MPS VI) und Typ VII (MPS VII) zur Anreicherung von Mucopolysacchariden in den Lysosomen und häufig zu Störungen in der Entwicklung von Knorpel und Knochen bis hin zu schweren neurologischen Symptomen als Folge einer Rückenmarkskompression. Bei den Gangliosidosen (GM1 und GM2) kommt es zur Speicherung von Fett-Zucker-Verbindungen in neuronalen Geweben mit der Folge, dass lebenswichtige Zellfunktionen im Gehirn gestört werden. Erkrankte Katzen zeigen in der Hauptsache neuromuskuläre Störungen mit Betonung auf cerebellären Symptomen wie Kopfzittern, Ataxien, Dysmetrien, aber auch Lähmungen und Muskelatrophie. Auch Skelettanomalien können beobachtet werden. Bei der Glykogenspeicherkrankheit Typ IV (GSD4) ist der Glukosestoffwechsel gestört, was zu einer abnormalen Anhäufung von Glykogen in verschiedenen Zelltypen führt. Eine unregulierte Abspeicherung und Aktivierung von Glukose macht häufig bei der Geburt Probleme. Betroffene Kitten sterben meist bei oder kurz nach der Geburt, vermutlich durch Hyperglykämie. Im Falle des Überlebens entwickeln sie sich zunächst normal. Ab einem Alter von 5 Monaten kommt es zu fortschreitender neuromuskulärer Degeneration und schließlich zum Tod.

Die Spotlights, die neuen Laboklin-Infoflyer zu Erbkrankheiten nach verschiedenen Symptomkomplexen zusammengefasst, sind in der Infothek bei Laboklin.de unter dem Titel „Tiermedizin trifft Genetik“ zusammengefasst."

Dr. Angelika Drensler, Elmshorn

Bei Kitten mit den beschriebenen Speicherkrankheiten ist die Ausprägung der Symptome sehr unterschiedlich und häufig unspezifisch. Die Lebenserwartung variiert von einigen Monaten mit schneller Verschlechterung (GM2) über 14 Monate mit GSD4 bis zum Alter von 6 – 8 Jahren bei den Mucopolysaccharidosen. Gerade bei dieser mittelguten Prognose ist es sinnvoll, das Wesen der Erkrankung mittels Gentest zu erkennen.

Maine-Coon-Katzen können im Alter von 12 Wochen an der genetisch bedingten spinalen Muskelatrophie (SMA) erkranken. Muskelschwund und Muskelschwäche führen zu einer fortschreitenden Instabilität des Ganges und Haltungsabnormalitäten und damit zu einer zunehmenden Behinderung und einer unvorhersehbaren Verkürzung der Lebenszeit. Katzen mit dem kongenitalen myasthenen Syndrom (CMS) zeigen bereits ab einem Alter von 3 Wochen eine generalisierte Muskelschwäche, vor allem nach Stress oder Aufregung. Oft nehmen von CMS betroffene Katzen eine Art „Eichhörnchen“-Körperhaltung ein und ruhen sich mit den Vorderpfoten auf passend hohen Objekten aus. Die meisten Katzen mit CMS sterben innerhalb von zwei Jahren, dabei oft, weil sie an Futter ersticken. Die Hypokaliämie bestimmter Rassekatzen, auch bekannt als familiäre episodische hypokalämische Polymyopathie, wird durch einen Gendefekt verursacht, der zu Muskelschwäche führt. Diese kann den ganzen Körper betreffen, manchmal aber auch auf wenige Muskeln begrenzt sein. Am auffälligsten betroffen sind die Nackenmuskeln und die Beinmuskulatur. Erkrankte Katzen haben Probleme beim Laufen und Springen, ebenso mit der korrekten Kopfhaltung. In der Labordiagnostik zeigen sich typischerweise erniedrigte Kalium- und erhöhte CK-Werte im Blutserum. Die Symptome lassen sich mit einer kaliumreichen Diät verbessern.

Auch bei diesen drei durch Gendefekte verursachten Erkrankungen ist es wichtig, durch einen Gentest die Ursache der Symptome zu identifizieren und eine prognostische Aussage machen zu können. Besonders bei SMA und CMS kann man durch die Sicherheit einer Diagnose die Entscheidung zur Beendigung des Leidens unterstützen und Qual verkürzen, wogegen die Diagnose der genetisch bedingten Hypokaliämie die Ergebnisse der Labordiagnostik erklärt und den positiven Effekt der Therapierbarkeit nach sich zieht.