Schneckenkornvergiftung beim Hund: Ein unterschätztes Risiko mit fatalen Folgen

Immer wieder kommt es vor, dass Hunde und Katzen vermeintlich unschädliche Schneckenkörner zu sich nehmen und Vergiftungserscheinungen zeigen. Die giftigen Bestandteile von Schneckenkörnern in Deutschland sind derzeit Metaldehyd und Eisen-III-Phosphat. Die Aufnahme von Metaldehyd kann selbst bei geringen Mengen zu schweren Symptomen führen. Es existiert kein Gegengift, die Therapie ist daher auf eine Dekontamination und symptomatische Therapie beschränkt.

Metaldehyd

Metaldehyd ist ein zyklischer Ether, der farb- und geschmackslos sowie leicht entzündlich ist. Der Metaldehydgehalt in freiverkäuflichen Produkten variiert zwischen 2,5-3 %, mit Pflanzenschutzsachkunde lassen sich legal aber auch Produkte erwerben, die 6 % enthalten. Über den Internethandel kommen auch Produkte zum Einsatz die bis zu 50 % Metaldehyd enthalten. Die tödliche Dosis von Metaldehyd liegt bei 100-300 mg/kg, das entspricht etwa 1 Teelöffel Schneckenkorn (2 %ig) pro 4,5 kg Körpermasse. Eine Dekontamination wird bereits bei einer Aufnahme über 2 mg/kg empfohlen. Durch die Aufnahme von Metaldehyd kommt es in der Schnecke zu einer irreversiblen Schädigung schleimproduzierender Zellen, die dann zu einer Austrocknung führt. Im Säugetier wird ein Teil durch Magensäure zu Acetaldehyd hydrolisiert, der andere Teil wird resorbiert und passiert die Blut-Hirn-Schranke.

Acetaldehyd führt zu einer metabolischen Azidose, es hat zudem Einfluss auf das GABA-erge System, der genaue Mechanismus ist bisher unbekannt. Verminderte GABA-, Norephedrin-, Serotonin- und erhöhte Monoaminooxidase (MAO)-Aktivitäten, führen zu zentralen Exzitationen.

Symptome

Klinische Symptome treten 30-180 Minuten nach oraler Aufnahme auf und betreffen hauptsächlich das Nervensystem, da sowohl Metaldehyd als auch Acetaldehyd die Blut-Hirn-Schranke durchqueren können. Dazu gehören Ataxie, Krämpfe, Unruhe, Hyperästhesie, Speicheln, Hyperthermie, Mydriasis, Nystagmus (Katze), Tachykardie, Tachypnoe, Erbrechen, Durchfall und Muskeltremor. Durch den Tremor entsteht eine starke Hyperthermie (42-43°C), die dann zu Organnekrosen und disseminierter intravasaler Gerinnung führen kann. Ein akuter Atemstillstand sowie eine reversible Erblindung, die bis zu 3 Wochen anhalten kann, sind ebenfalls beschrieben. Die bei einer Metaldehydvergiftung charakteristischen klinischen Symptome - anhaltende Krämpfe und erhöhte Körpertemperatur - führen zu der Bezeichnung „shake and bake syndrome“.

Zwei bis 3 Tage nach der Giftaufnahme können die Organnekrosen zu einem Leberversagen führen. Die Mortalitätsrate bei einer Metaldehydintoxikation liegt bei 17 %.

Die bei einer Metaldehydvergiftung charakteristischen klinischen Symptome - anhaltende Krämpfe und erhöhte Körpertemperatur - führen zu der Bezeichnung „shake and bake syndrome“.

Dr. Julia Llewellyn, Internistische Fachpraxis für Kleintiere

Dekontamination

Kurz nach der Giftaufnahme (1 bis 3 Stunden später) und nur bei normalem Bewusstsein kann Erbrechen induziert werden, um eine weitere Resorption des Giftes zu verhindern. Beim Hund verwendet man Apomorphinhydrochlorid 0,08 mg/kg s.c., bei der Katze Xylazin 0,44-1 mg/kg i.m. oder Dexmedetomidin 0,007 mg/kg i.m.

Bei krampfenden Tieren, oder solchen mit reduziertem Bewusstsein, erfolgt eine Magendarmspülung. Hierfür werden die Tiere in Narkose gelegt, intubiert und der Cuff geblockt. Danach wird ein großlumiger Gummischlauch in den Magen eingeführt und der Magen mit 5-10 ml/kg lauwarmem Leitungswasser (Hund) oder warmer Kochsalzlösung (Katze) gespült. Die Spülung sollte so lange fortgeführt werden bis das Wasser klar ist, mindestens 10-15mal. Für die rektale Spülung wird ein Gummischlauch mit etwas Gleitgel versehen, dann in das Colon eingeführt und vorsichtig etwa bis zum Rippenbogen vorgeschoben. Auch hier erfolgt die Spülung bis das Wasser klar ist.

Zur Verhinderung einer weiteren Giftresorption sollte nach erfolgreicher Emesis oder Magenspülung Aktivkohle eingegeben werden. Dafür wird entweder eine gebrauchsfertige Lösung/Paste verwendet oder die benötigte Menge Tabletten in Wasser aufgelöst, um eine 10 % ige Suspension (1 g/10 ml) herzustellen - davon werden 1-3 g/kg über die Sonde eingegeben. Durch den enterohepatischen Kreislauf wird Acetaldehyd über die Galle wieder in den Darm abgegeben und so ein weiteres Mal resorbiert, daher ist die wiederholte Gabe von Aktivkohle sinnvoll. Die Eliminationshalbwertszeit von Metaldehyd liegt bei 27 Stunden.

Zur schnellen Dekontamination eignet sich auch eine Hämodialyse.

Symptomatische Therapie

Bei Krampfanfällen werden Benzodiazepine eingesetzt (Diazepam Hund 2-5 mg/kg i.v. oder Midazolam Hund und Katze 0,1-0,3 mg/kg i.v.). Wenn dadurch keine Anfallsfreiheit erzielt werden kann, müssen die Tiere in eine Dauernarkose gelegt werden. Hierfür eignet sich Propofol und Iso- oder Sevofluran.

Barbiturate wie Pentobarbital sind kontraindiziert, da diese mit Acetaldehyd um Plasmabindungsstellen konkurrieren und die Toxizität dadurch erhöhen können. Während einer Dauernarkose müssen die Tiere intensivmedizinisch betreut werden. Dazu gehören regelmäßiges Wenden, Tubus absaugen, entblocken und Lage verändern, das Legen eines Harnkatheters mit Messung der Urinproduktion, Temperaturkontrollen und Maulhöhlenhygiene.

Ist der Patient hypertherm, muss mit lauwarmem Wasser gekühlt werden. Sobald die Körpertemperatur bei 39,3°C liegt, wird die Kühlung unterbrochen und der Patient abgetrocknet, um eine Hypothermie zu verhindern. Die Hämatologie sollte nach 24 Stunden und 48 Stunden auf Hinweise einer DIC oder bakteriellen Translokation kontrolliert werden. Leberenzyme und Leberfunktionsparameter sind in den ersten 3 Tagen alle 24 Stunden zu bestimmen.

Tiere die die ersten 24 Stunden überlebt haben, haben in der Regel eine gute Prognose.

Eisen-III-Phosphat

Neben metaldehyd- gibt es eisenhaltige Schneckenkörner. Diese enthalten Eisen-III-Phosphat und der Eisengehalt liegt bei 4,6-9,9 g/kg. Bei oraler Aufnahme sind 20-60 mg/kg Eisen toxisch, dies entspricht 4,3-13 g Schneckenkörner pro kg, schwere Symptome sind bei > 60 mg/kg zu erwarten, die letale Dosis liegt bei 100 mg/kg. Symptome zeigen sich 6-24 Stunden nach oraler Aufnahme. In der Schnecke kommt es zu Zellveränderungen im Kropf und Mitteldarm, die Tiere können somit nicht mehr fressen und ziehen sich zum Sterben zurück. Im Säugetier wird Eisen an Transferrin gebunden, bei Überschuss gelangt freies Eisen ins Blut und dann in die Zellen. Dort stimuliert es die Lipidperoxidation, was zu Zellschäden führt. Mögliche Symptome sind (blutiges) Erbrechen, (blutiger) Durchfall, Lethargie, Anorexie, Dehydratation, Übelkeit, Ataxie und Bauchschmerzen.

Sollte ein 5 kg schwerer Hund oder eine Katze mehr als 1 Handvoll Körner aufgenommen haben, wird zu einer Dekontamination mittels induziertem Erbrechen geraten. Die Gabe von Aktivkohle ist nicht sinnvoll, da Eisen nicht durch Aktivkohle gebunden wird.

Erbrechen wird symptomatisch mit einem Antiemetikum (z.B. Maropitant) behandelt, da es durch Eisen zu einer Reizung der Magenschleimhaut kommt, sollten Magenprotektiva wie Sucralfat verabreicht werden. Bei schweren Eisenintoxikationen verabreicht man Deferoxamin 40 mg/kg i.m. alle 4-8 Stunden. Eisenkomplexe verfärben den Urin orange-rot, die Therapie kann beendet werden, wenn der Urin seine normale Farbe annimmt.

Bisher liegen keine Berichte über Todesfälle nach Eisen-III-Phosphataufnahme vor - die Prognose ist in der Regel gut.