Die Therapie der Leishmaniose im Wandel der Zeit – Leishmanizid, Leishmanistat, Immunmodulator

1992 sammelte ich Zecken im Siebengebirge (Rheinland), um sie auf Borrelien zu untersuchen (bzw. untersuchen zu lassen) - jeder Jungforscher/in (oder der/die es werden wollte) machte das schon jahrelang. Die Borreliose war die neue Parasitose der späten 80er, bzw. frühen 90er Jahre. Ich wollte lieber etwas anderes machen, zudem war das Wetter eher mäßig in Bonn – "entweder es regnet, ist neblig oder die Schranken sind zu" - hieß es damals, zeitgenössisch prä-Klimawandel.

In Griechenland kam ein Parasit zurück, der seit der weltweiten DDT-Kampagne zur Ausrottung der Malaria auch ausgestorben schien, Leishmania infantum. Die Leishmaniose war in Deutschland nahezu unbekannt, eher eine Tropenkrankheit und weit weg. Veterinärmedizinische Fakultäten der hiesigen Universitäten wurden hin und wieder ein Fall beim importierten Hund überwiesen. Umliegende Tierkliniken wurden benachrichtigt, um sich einen solchen Fall anzuschauen. Eine Therapie sei sehr schwierig, Medikamente, wie z.B. das Pentostam®, könne aus England bezogen werden.

Fördermittel für Forschungsarbeiten in Griechenland waren zu dieser Zeit einfach zu bekommen. Also fuhr ich im Mai 1993 als Biologe nach Griechenland, um die Sandmücken, die Überträger der Leishmaniose, auf der Halbinsel Chalkidiki (Nordostgriechenland) zu erforschen. Betreut wurde ich über die Veterinärmedizinische Fakultät der Aristothelian University Thessaloniki. Sandmücken werden nachts mit automatisierten Lichtfallen gefangen. Beim Fallenstellen traf ich auf einem Bauernhof meinen ersten ‚Patienten‘, eine etwa halb-jährige Setter-Mischlings-Hündin. Aufgefallen war mir eine verkrustete Nase und schütteres Fell … ich nahm sie mit. Schnell wurde durch eine Knochenmarkspunktion via Uni klar - sie hatte Leishmaniose. Eigentlich seltsam, da es Mai war und Sandmücken in Griechenland von Anfang Juni bis Mitte Oktober fliegen. Sie konnte sich nicht durch Sandmücken infiziert haben, also trans- / diaplazentar über ihre Mutter? 20 Jahre später sollte ich genau diese Übertragungsweise für einen Fall aus Düsseldorf veröffentlichen.

Aber zurück zu dieser Hündin in Griechenland. Also therapieren wir sie - aber wie? Ein weiteres Problem: In Griechenland durfte seinerzeit die Leishmaniose beim Hund nicht therapiert werden, vielmehr war ein solcher Hund sofort zu euthanasieren. ‚Ponos‘ oder ‚Splina‘ hieß die Leishmaniose bei den Kindern. Ponos heißt Schmerz und steht für den ‚Schmerz‘ der Familien, die ihre Kinder an Leishmaniose verloren haben, Splina heißt Milz und steht wohl im Zusammenhang mit der Leishmaniose-bedingten Milzvergrößerung oder weil der Erreger mikroskopisch durch Milzpunktion diagnostiziert wurde.

Die einzige Möglichkeit diese Hündin zu therapieren, war ein universitäres Projekt. Es sollte etwas Neues werden: eine Kombinationstherapie.

Das Allopurinol galt als Gichtmittel für Senioren. Obwohl es einfach zu beziehen gewesen wäre, sollte es nicht eingesetzt werden – vielleicht später, als Dauertherapie. Die Azole waren als Leishmanizide bekannt. Das Fungizid Ketokonazol war in Griechenland einfach erhältlich. Über das Levamisol wurde eine immunmodulatorische Wirkung diskutiert. Es war verfügbar als ‚Entwurmungsmittel für Schafe‘. Das Glucantime® sollte auch nicht fehlen, war in Griechenland aber ausschließlich für Humanmediziner beziehbar. Glücklicherweise lebte meine Tante in Paris und sponserte mit einem Care-Paket das Glucantime®. Es kamen also Glucantime® als täglich mehrfache Infusion, Ketokonazol und Levamisol oral zum Einsatz. Diese Therapieform konnte ich im Januar 1997 in griechischer Sprache im Veterinärjournal ‚Anima‘ mit dem Titel: ‚Ein Leishmaniosefall beim Hund. Vier Jahre nach Therapie‘ veröffentlichen. Diese Veröffentlichung kippte schließlich die alte Vorschrift, dass mit Bekanntwerden einer Leishmaniose beim Hund dieser zu euthanasieren sei. Nun war es auch Privatpersonen möglich ihre Leishmaniosehunde unter tierärztlicher Betreuung zu therapieren. Mit meiner Hündin fuhr ich insgesamt 11mal nach Griechenland und zurück. Sie verstarb mit 14 Jahren an einem Schlaganfall. Verewigt ist sie als Cover-Hündin der Broschüre ‚Traumhund aus dem Süden‘.

In den letzten 25 Jahren hat sich die Leishmaniose Situation in Deutschland stark verändert. So sahen wir früher nur vereinzelt Leishmaniosehunde aus dem Ausland, so sind es heute mindestens 100.000 nachweislich infizierte mit hoher "Dunkelziffer". In Deutschland herrscht ein starker Hundemangel, und weil es im Ausland nicht nur gesunde Hunde gibt, kommen nun auch die kranken. Zum Teil sind Hunde bereits im Ausland als Leishmaniose-positiv diagnostiziert worden. Im Internet finden wir heute Leishmaniose Plattformen, auf denen sich tausende Besitzer positiver Hunde tummeln. Alle Besitzer wollen, dass ihr Hunde mit möglichst wenig Medikamenten möglichst lange leben. Doch viele Medikamente haben Nebenwirkungen, einige können möglicherweise nur einmal mit gutem Erfolg eingesetzt werden - doch das Rezidiv kommt. Ziel ist es, so wenig Medikamente wie möglich aber auch so viele Medikamente wie nötig einzusetzen. Das geht, mit dem sogenannten Monitoring alle drei bis sechs Monate. Wir hier bei Laboklin halten drei verschiedene Leishmaniose-Monitoring Profile bereit.

Rund um die Therapie der Leishmaniose gibt viele verschiedene Leitfäden. Hier muss jedoch beachtet werden, wie alt diese sind und wer sie für welche Region geschrieben hat. Die Leishvet-Gruppe hat ihren ersten Leitfaden vor zehn Jahren verfasst und veröffentlicht. Schnell wurde klar, dass dieser veraltet war. Ein Update musste her. Heute steht dieses mit der bereits vierte Edition in sieben verschiedenen Sprachen im Netz (www.leishvet.org). Die Gruppe Leishvet hat sich im CVBD® World Forum (Companion Vector-Borne Diseases) gefunden (www.cvbd.org). Als Gründungsmitglied des CVBD® weiß ich, dass es hat zehn Jahre gedauert hat, um Glucantime® aus "Stadium 1" herauszubekommen und gegen "Keine Therapie-Monitoring" zu ersetzen. Ein Leitfaden in Bewegung.

Heute stehen viele verschiedene Präparate zur Verfügung, die zur Leishmaniosetherapie gezielt eingesetzt werden können."

Dr. Torsten J. Naucke, Parasitologe

Heute stehen viele verschiedene Präparate zur Verfügung, die zur Leishmaniosetherapie gezielt eingesetzt werden können. Hier eine Auswahl:

Leishmanistat

Das Allopurinol wirkt leishmanistatisch, d.h. es greift in den Stoffwechsel der Leishmanien ein und reduziert diese. Allopurinol wirkt gut gegen Anämie und Hautveränderungen, sowie Alopezie. Gegen Ohrrandveränderungen/-nekrosen, offene Ballen und entzündliche Krallen wirkt es meist weniger gut. Bei Laboklin empfehlen wir seit vielen Jahren bzgl. der Dosierung den Allopurinol Stufenplan.

Stufe 1: Kein Allopurinol

Stufe 2: 2 x täglich 5 mg/kg KGW (niedrig)

Stufe 3: 3 x täglich 5 mg/kg KGW (mittel)

Stufe 4: 2 x täglich 10 mg/kg KGW (hoch)

Stufe 5: 3 x täglich 10 mg/kg KGW (sehr hoch)

Einstufung des Patienten in 5 Stufen nach Grad der Anämie und Hautveränderung.

Die Summe aus Grad der Anämie + Grad der Hautveränderungen ergibt die Allopurinoldosis. Keine Hautveränderungen und keine Anämie = kein Allopurinol. Alle drei Monate wird die Dosierung anhand eines neuen Blutbildes überdacht. Im Idealfall kann man das Allopurinol zeitweise absetzen. Dies ist sinnvoll, denn das Allopurinol selbst ist nephrotoxisch. Bei permanenter Gabe erhöht sich die Gefahr der Bildung von Xanthinsteinen, auch kann das Allopurinol wirkungslos werden.

Leishmanizid

Leishmanizide töten Leishmanien. Wenn der Leishmaniose Patient droht zum Notfall zu werden, kommen diese zum Einsatz. Beim Hund können wir die Leishmanien nicht völlig eliminieren. Die bekanntesten sind Milteforan® und Glucantime®. Glucantime® hat eine sehr kurze Halbwertszeit (s.c. 2-4 Stunden) und kann daher schnell wirken, Milteforan® hat eine lange Halbwertszeit von 153 (± 13.7) Stunden und benötigt daher eine Anflutungszeit von ca. einer Woche. Wie oben bereits erwähnt, so sind Präparate aus der Gruppe der Azole ebenfalls leishmanizid.

Immunmodulator

Der zuvor erwähnte Levamisol als Immunmodulator wird heute eigentlich nicht mehr verwendet. Als Nahrungsergänzungsmittel gibt es Impromune®. Wirksamer Bestandteil ist Shiitake Pilz in einem Pressling auf Hefebasis. Bei gleichzeitiger Gabe von Allopurinol ist jedoch Vorsicht geboten, denn Hefe enthält Purine und diese wiederum können mit den Verstoffwechslungsprodukten des Allopurinols Xanthinsteine in der Blase ausbilden. In Spanien wird (daher?) beworben, das Impromune® anstatt Allopurinol zu geben. Mir erscheint es nicht sinnvoll, ein Leishmanistat, welches bei einer Anämie eingesetzt wird, gegen einen Immunmodulator auszutauschen, den ich zum Ausbremsen der humoralen Immunantwort benötige. Dieses Problem habe ich beim Einsatz des Leisguard® nicht, immunmodulatorischer Wirkstoff ist hier das Domperidon - ein Antiemetikum. Es ist eine Flüssigkeit und wird 30 Tage im Block ins Futter geträufelt. Je nach Höhe des Antikörperspiegels / Alb-Glob-Quotient / UPC wird diese Blockgabe ein bis dreimal pro Jahr wiederholt. Ein weiterer Immunmodulator zur Stimulation der zellulären Immunantwort ist das ‚ProteinQ‘. Es befindet sich in der Leishmanioseimpfung, dem Letifend® der Firma Leti (hier vertrieben durch MSD). Diesen Impfstoff dürfen wir jedoch nicht, wie auch die Leishmanioseimpfung der Firma Virbac (CaniLeish®) zu therapeutischen Zwecken einsetzen.

Um mit Ihnen über Ihren Leishmaniose-Patienten zu sprechen, eine Therapiekonzeption besonders bei Infektionen mit mehreren Erregern zu gestalten, sind wir ein großes Team bei Laboklin. Sie erreichen mich täglich über die Zentrale.

Autogene Sandmücken Überträger von Viren

Abschließend: Ich bin auch Entomologe, das sind die Menschen, die Insekten typisieren können. 1999 habe ich die ersten Sandmücken in Deutschland gefunden. In Baden-Württemberg und auch in Rheinland-Pfalz ist die Sandmückenart mit dem Namen Phlebotomus mascittii weit verbreitet. Es gibt viele Diskussionen, ob diese auch Leishmanien übertragen können. P. mascittii ist jedoch autogen, d.h. diese Mücke kann auch ohne Blut gesogen zu haben mit pflanzlichem Zucker allein entwicklungsfähige Eier produzieren. Mediterrane Sandmücken brauchen Blut von infizierten Säugetieren um sich selbst mit Leishmanien zu infizieren, die sie dann multiplizieren. Erst beim nächsten Stich - viele Tage später - sind sie infektiös. Diese autogene Eigenschaft von P. mascittii lässt vermuten, dass diese keine Leishmanien übertragen kann. Eine aktuell veröffentlichte Studie stützt diese Vermutung. Autogene Sandmücken sind jedoch als Überträger von Viren bekannt, z.B. des Toskana-Virus, welches bereits in Baden-Württemberg beim Menschen nachgewiesen wurde.