Honig in der Wundbehandlung - Phytotherapeutikum aus „zweiter Hand“


Die Wundheilung ist ein komplexer, dynamischer, den gesamten Organismus fordernder Prozess, bei dem das Immunsystem von zentraler Bedeutung ist. Wundbehandlung sollte in diesen Prozess so wenig wie möglich eingreifen. Bei stark verschmutzten und infizierten Wunden und bei Substanzverlust ist das keine einfache Aufgabe.

Traditionelle Wundbehandlung

In der Volksmedizin aller Kulturen finden sich zahlreiche Arzneipflanzen, die zur Wundbehandlung genutzt wurden und werden. Schon seit der Antike wurden zudem zur Unterstützung der Wundheilung auch die auf pflanzliche Substanzen zurückgehenden Bienenprodukte Honig und Propolis erfolgreich eingesetzt.

Iatrogene Wundheilungsstörungen

Mit dem Aufkommen von Sulfonamiden und Antibiotika verloren die pflanzlichen Zubereitungen ihre Bedeutung. Bei der Wundbehandlung fokussierte man sich auf die Vermeidung bzw. Bekämpfung von Wundinfektionen durch Anwendung von Desinfektionsmitteln und Antibiotika. Dadurch wurden und werden nicht selten Wundheilungsstörungen provoziert.

Bedeutung des Wundmilieus

In unserer Gesellschaft nehmen chronische Wunden wie Dekubitus, Ulcus cruris und Diabetisches Fußsyndrom zu. In der Humanmedizin wurde deshalb eine Neuausrichtung des Wundmanagements erforderlich, das ein heilungsförderliches, feuchtes Wundmilieu berücksichtigt. Heute kommen in Human- und Tiermedizin kollagen- und gelatinehaltige Wundauflagen mit Alginaten etc. zum Einsatz, die für ein optimales Wundmilieu sorgen, mit der Wunde nicht verkleben, Wundsekret aufnehmen und so die natürliche Wundheilung begünstigen. Derartige Wundauflagen sind jedoch teuer und für viele Tierhalter:innen unbezahlbar.

Infizierte Wunden

Wunden sind infektionsgefährdet, Bisswunden sind per se infiziert. Eine gewebeverträgliche Keimreduzierung ist durch Antibiotika und Desinfektionsmittel nur schwer möglich. Zudem verbreiten sich unter Infektionserregern Resistenzen gegen diese Therapeutika, wodurch bei Mensch und Tier die Gefahr von Wundinfektionen derzeit drastisch zunimmt, selbst bei unter aseptischen Kautelen entstandenen OP-Wunden. Nosokomiale Infektionen mit multiresistenten Erregern verursachen schwere Schäden, Todesfälle und erhebliche Behandlungskosten.

Intensive Forschungen der letzten Jahre zu Inhaltsstoffen, Wirkmechanismen und effektiven Anwendungsformen von Honig in der Wundbehandlung belegen, dass dieses traditionelle Wundheilmittel großes Potential hat."

Dr. Cäcilia Brendieck-Worm, Niederkirchen

Honig – Wundheilmittel aus der prä-antibiotischen Ära

Entstehung: Grundstoff des Honigs ist der Nektar von Blüten, aber auch der von Blattläusen abgezapfte zuckerhaltige Siebröhrensaft von Pflanzen ("Honigtau"). Beide Substanzen werden von der Honigbiene (Apis mellifera) gesammelt. Schon im Honig-Magen der Biene werden sie mit bieneneigenen Enzymen versetzt, die verschiedene chemische Reaktionen katalysieren. Das Sammelgut - der Honig - wird in Waben abgelegt. Anschließend entziehen ihm die Bienen durch gezieltes Fächeln mit den Flügeln mehr als 80 % des Wassers. Danach werden die Waben mit einer luftundurchlässigen Wachsschicht verschlossen. Honig ist praktisch unverderblich und schützt vor Verderb. Er bleibt bei korrekter Verarbeitung (keine Erhitzung!) und Lagerung dauerhaft chemisch aktiv.

Traditionelle Anwendung. Die älteste Rezepturensammlung zur medizinischen Honig-Anwendung ist 3500 Jahre alt und im Papyrus Ebers aus dem alten Ägypten dokumentiert. In der traditionellen Tiermedizin und in der Volksheilkunde war die Anwendung von Honig bei allen Wundarten auf Haut und Schleimhaut weit verbreitet. Dabei wurde Honig sowohl als alleiniges Heilmittel, als auch als Träger für pflanzliche Arzneistoffe eingesetzt.

Aktuelle Forschung. Intensive Forschungen der letzten Jahre zu Inhaltsstoffen, Wirkmechanismen und effektiven Anwendungsformen von Honig in der Wundbehandlung belegen, dass dieses traditionelle Wundheilmittel großes Potential hat.

Honig beeinflusst das Wundmilieu positiv. Er wirkt sekretolytisch, wundreinigend, granulations- und epithelisierungsfördernd. Honig ist durch osmotische Effekte und von Glukose-Oxidasen kontinuierlich produziertes Wasserstoffperoxyd antimikrobiell wirksam, auch bei MRSA und Biofilm. Außerdem enthält Honig Defensine (antimikrobielle Pepsine), die der Abwehr von Bakterien, Pilzen und Toxinen dienen, die Virusvermehrung hemmen und Monozyten anlocken.

Zu der keimhemmenden/-tötenden Wirkung des Honigs tragen auch ca. 30 verschiedene Säuren bei, darunter das hitzebeständige Methylglyoxal, das erst während der Lagerung entsteht und insbesondere im Manuka-Honig in größeren Mengen enthalten ist. Methylglyoxal bindet an bakterielle DNA und beeinträchtigt die Stoffwechselsteuerung der Bakterien. Es gilt als besonders stark antimikrobiell wirksam. Honig hat durch seinen Gehalt an Säuren einen pH-Wert zwischen 3,4 und 5,5.

Die Forschung belegt, dass Honig bei infizierten Wunden und Brandwunden konventionellen Methoden überlegen ist. Bei Hauttransplantationen hat er sich den Hydrokolloidverbänden als ebenbürtig erwiesen. Honig vermindert die bakterielle Besiedelung von durch Strahlen- und Chemotherapie geschädigter Haut und Schleimhaut. Er lindert die Beschwerden bei ulzerierenden Tumoren u.v.m.

Honig - mindestens seit der Antike als Wundheilmittel im Einsatz – erweist sich in der „post-antibiotischen Ära“ als gewebeschonende, wundheilungsfördernde und trotzdem antimikrobiell hochwirksame Substanz den aktuellen synthetischen Wundtherapeutika und -pflegemitteln als mindestens ebenbürtig."

Dr. Cäcilia Brendieck-Worm, Niederkirchen

Manuka-Honig versus heimischen Honig

Der aus dem Nektar der auf der Nordinsel Neuseelands wachsenden Südseemyrte, Leptospermum scoparium, gewonnene Manuka-Honig ist in den letzten Jahren zum „Wundermittel“ avanciert. Das traditionelle Wundheilmittel der Maori wird heute zu hochpreisigen Wundauflagen, Cremes und Salben verarbeitet. Als gamma-strahlensterilisiertes Produkt erfüllt der Manuka-Honig die Bedingung der Keimfreiheit.

Bei nativem Honig ist Keimfreiheit nicht gegeben. Er kann Clostridiensporen enthalten, die unter anaeroben Bedingungen auskeimen und Toxine bilden könnten. Bisher ist es jedoch unseres Wissens noch nicht zu Schäden durch Clostridien gekommen, die sich auf die Anwendung von nativem Honig zur Wundbehandlung zurückführen ließen.

Anwendung von nativem Honig

Nativer Honig, möglichst aus zertifiziertem Bio-Betrieb, kann ohne weitere Verarbeitung angewendet werden:

  • auf Schürfwunden dünn auftragen, auch ohne Abdeckung (Leckschutz!).
  • als Tamponade von Zahnfächern nach Zahnextraktion
  • als Tamponade von Abszesshöhlen
  • als Honigauflage unter Verband auf Wunden aller Art und Größe. Hierfür den Honig ca. 1 mm dick auf eine Kompresse streichen und direkt auflegen. Im Anfangsstadium die Auflage alle 6-12 Stunden nach sorgfältiger Abnahme des Sekretes erneuern. Später reicht ein Verbandwechsel alle 1-2 Tage.

Kein Verkleben mit der Wunde

Honig verhindert weitestgehend das Verkleben des Verbandes mit der Wunde. In den ersten zehn Tagen wird deshalb zum Schutz des von den Endothelien der Kapillaren gebildeten Granulationsgewebes reiner Honig zur Wundbehandlung empfohlen. Granulationsgewebe hat wenig Zusammenhalt und ist daher durch anklebende Verbände beim Verbandwechsel schnell zerstört. Dieser schnelle, provisorische Wundverschluss durch Granulationsgewebe ist für die Versorgung der Fibroblasten von großer Bedeutung. Diese wiederum spielen eine wichtige Rolle bei den Reparaturprozessen in der Wunde. In späteren Wundstadien können Zusätze von Zinkoxyd, Vitamin E, Linolsäure (z.B. durch Sonnenblumenöl) oder Linolensäure (z.B. durch Leinöl) sinnvoll sein.

Honigsalben herstellen

  • Zur Herstellung einer Honigsalbe wird 1 Teil nativer Honig mit 2 Teilen eines geeigneten Fettes verrührt.
  • Für eine Honig-Lebertran-Salbe werden ein Fünftel bis ein Drittel Dorschlebertran in reinen Honig eingerührt. Diese Zubereitung eignet sich für kleine Verletzungen und Verbrennungen II. Grades.
  • Es sind diverse honighaltige (auch Manuka-Honig-haltige) Pflegemittel für Tiere im Handel erhältlich, z. T. mit pflanzlichen Zusätzen, etwa aus Kamille, Ringelblume und Zaubernuss.

Fazit

Honig - mindestens seit der Antike als Wundheilmittel im Einsatz – erweist sich in der „post-antibiotischen Ära“ als gewebeschonende, wundheilungsfördernde und trotzdem antimikrobiell hochwirksame Substanz den aktuellen synthetischen Wundtherapeutika und -pflegemitteln als mindestens ebenbürtig.

EIN BESONDERER FALL

Schon seit Jahren wachsen im Gesäuge der Vizsla-Hündin diverse Tumore (Bild 1/März 2020). Im März 2021 verschlechtert sich das Allgemeinbefinden der mittlerweile 14jährigen Hündin. Der Tumor im caudalen Gesäugekomplex hat die Größe einer Orange erreicht, ist hart und höckerig. Die Hündin liegt viel und leckt sich im Bereich des Tumors. Eines Abends findet der Tierbesitzer seine Hündin auf ihrem blutverschmierten Lager. Sie hat den Tumor abgefressen! (Bild 2 /3.2021).

Den entstandenen Hohlraum füllt der Tierbesitzer 2-3x täglich mit nativem Honig, den die Hündin nur ableckt, wenn er aus dem Hohlraum zu fließen beginnt. Die Wunde verheilt komplikationslos. Die Hündin lebt ein weiteres Jahr bei gutem Allgemeinbefinden.

Bei fachgerechter Gewinnung und Lagerung bleibt Honig chemisch aktiv. Die Wasserstoffperoxyd-Bildung ist an aufsteigenden Bläschen zu erkennen. Der aus Blüten gesammelte Nektar wird mit bieneneigenen Enzymen versetzt, in Waben gelagert, auf 20 % Wassergehalt reduziert und durch eine Wachsschicht luftdicht verschlossen.