Gaumenspalte bei einem Pekinesen-Mischling

„Prinzessin“, eine dreieinhalbjährige Pekinesen-Mischlings-Dame wurde wegen Husten in der Sprechstunde vorgestellt. Bereits während der Anamnese erklärte die Besitzerin, dass der Hund schon seit dem Welpenalter unter rezidivierendem Husten litt. Die Hustenanfälle traten bevorzugt nach Wasseraufnahme auf. Scheinbar hatte „Prinzessin“ auch Schwierigkeiten beim Schlucken. Es wurden immer wieder Lungenentzündungen diagnostiziert, die mit Antibiotika, Mucolytika und NSAID behandelt wurden.

Vergrößerte Mandibular-Lymphknoten, verschärftes Atemgeräusch, erhöhte Körperinnentemperatur

Bei der klinischen Allgemeinuntersuchung ließen sich vergrößerte Mandibular-Lymphknoten, ein verschärftes Atemgeräusch sowie eine erhöhte Körperinnentemperatur feststellen. Bei der Adspektion der Maulhöhle fiel mittelgradige Zahnsteinbildung an allen Zähnen auf. Die Gingiva diverser Zähne zeigte entzündliche Veränderungen bis Grad II und es ließ sich deutlicher Maulgeruch feststellen. Im Bereich der Medianen des harten Gaumens ließ sich eine durchgängige Schleimhautvertiefung ausmachen. Die weitere Untersuchung der Maulhöhle im Wachzustand gestaltete sich schwierig, es wurde ein Termin für eine eingehende Untersuchung in Allgemeinanästhesie vereinbart. In der Zwischenzeit wurde „Prinzessin“ symptomatisch behandelt.

Untersuchung der Maulhöhle unter Narkose

Am Tag der weiterführenden Untersuchung wurde „Prinzessin“ nach einer unauffälligen präanästhetischen Untersuchung in Allgemeinnarkose versetzt und in Narkose die Maulhöhle vollständig untersucht. Die Narkoseeinleitung erfolgte nach Prämedikation (Medetomidin und Butorphanol) mit Propofol bis zum Eintritt des Bewusstslosigkeit und wurde nach Intubation auf eine Inhalationsnarkose mit druckkontrollierter Beatmung mit einem Luft-Sauerstoff-Isofluran-Gemisch umgestellt. Zur Narkoseüberwachung wurden EKG, nichtinvasive Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie, Kapnometrie und Thermometrie durchgeführt. Während der Narkose erhielt „Prinzessin“ Ringer-Lösung als Dauertropfinfusion über einen venösen Zugang. Als Analgetikum wurde präoperativ Metamiziol verabreicht. Nach der Eingangsuntersuchung der Maulhöhle mit Dokumentation von Zahnstein und Gingivitisindex erfolgte nach einer professionellen Zahnreinigung und Desinfektion die Sondierung aller Zähne. Hier konnten an einigen Zähnen Gingivitis Grad 1-2 erhoben werden, aber noch ohne wesentliche Beteiligung des Zahnhalteapparats. Die eingehende Untersuchung des harten Gaumens zeigte eine durchgängige Gaumenspalte von der Papilla Incisivi bis zum Gaumensegel. Dies führte dazu, dass einerseits immer wieder Futter und Trinkwasser von der Maulhöhle in die Nasenhöhle gelangen konnte und infolge aspiriert wurde. Darüber hinaus war auch der Abschluckvorgang durch das unvollständig ausgebildete Gaumensegel gestört.

Allzu oft wird Erkrankungen von Maulhöhle und Zähnen zu wenig Beachtung geschenkt. Nur so war es möglich, dass diese Spaltbildung erst im Alter von dreieinhalb Jahren festgestellt und auch behandelt werden konnte, obwohl „Prinzessin“ schon seit dem Welpenalter klinische Probleme zeigte."

Dr. Martin Florian Buck, Tierarzt

Nach Besprechung der Befunde mit der Besitzerin wurde die Gaumenspalte operativ in der gleichen Narkosesitzung verschlossen. Zuerst wurde die Gaumen-Schleimhaut im Bereich der Gaumenspalte sorgfältig abpräpariert, damit keine Epithelreste eine Wundheilung verhindern können. Bei der Blutstillung wurde auf HF-chirurgische Instrumente verzichtet, um die Blutgefäßversorgung und –integrität nicht negativ zu Beeinflussen. Nachdem die knöchernen Defekte im mittleren Bereich der Gaumenspalte nur sehr dezent waren und genug Schleimhaut zur Verfügung stand konnte auf Maßnahmen zur Mobilisierung weiterer Schleimhaut verzichtet werden. Im rostralen Bereich caudal der Papilla Incisivi mussten Entlastungsschnitte nahe des Margo alveolaris angelegt werden. Dies war notwendig, um die Gingiva des harten Gaumens zu mobilisieren und um einen spannungsfreien Wundverschluss gewährleisten zu können. Im Bereich des weichen Gaumens wurden Inzisionen angelegt und das Gaumensegel neu konstruiert. Die Naht erfolgte jeweils zweischichtig Stoß auf Stoß mit Monoplus 4/0 in Form von Einzelheften.

„Prinzessin“ konnte wenige Stunden post Operationem in die häusliche Obhut entlassen werden. Die Besitzerin wurde angewiesen, die ersten 24 Stunden nur Wasser anzubieten und nichts zu füttern. Bei einer Nachkontrolle am nächsten Tag berichtete die Besitzerin, dass „Prinzessin“ problemlos schlucken konnte und auch kein Husten nach Wasseraufnahme feststellbar war. Über einen Zeitraum von 14 Tagen wurde nur feinpüriertes Futter verabreicht. Bei einer Nachkontrolle nach 14 Tagen war „Prinzessin“ bei gutem Allgemeinbefinden - abschlucken, fressen und trinken war problemlos möglich. Die Fäden waren noch in situ, die Gaumenspalte verheilt. Eine weitere Kontrolle nach sechs Monaten ergab einen guten Heilungsverlauf.

Ein ungewöhnlichen Fall einer Gaumenspalte

Bei Prinzessin handelt es sich um einen ungewöhnlichen Fall einer Gaumenspalte, da die Diagnose erst im Alter von dreieinhalb Jahren gestellt wurde. In aller Regel fallen Welpen mit derartigen Fehlbildungen bereits in den ersten Lebenstagen auf, da diese Welpen aufgrund der eingeschränkten Saugleistung im Wachstum retardieren und häufig Aspiratinspneumonien entwickeln. Grundsätzlich ist die Prognose einer Gaumenspalte abhängig vom Ausmaß, von den knöchernen Defekten, von weiteren möglichen assoziierten Fehlbildungen und natürlich vom Allgemeinbefinden des Patienten.

Mit einer rekonstruierenden Operation sollte möglichst solange gewartet werden, bis das wesentliche Kopfwachstum abgeschlossen ist, um die Spannung auf das Weichgewebe so gering als möglich zu halten. Zwischenzeitlich kann gegebenenfalls ein provisorischer Verschluss mittels eines individuell angefertigten Obturators erfolgen. Bei der rekonstruierenden Operation ist spannungsfreien Nähen, gewebeschonendes Arbeiten und Rücksichtnahme auf die Blutgefäßversorgung der Schlüssel zum Erfolg. Die Prognose verschlechtert sich im Falle einer Nahtdehiszenz aufgrund von schlecht vaskularisierter Narbenbildung oft erheblich, sodass darauf geachtet werden muss, bereits in der ersten Operation erfolgreich zu sein.

FAZIT

Allzu oft wird Erkrankungen von Maulhöhle und Zähnen zu wenig Beachtung geschenkt. Nur so war es möglich, dass diese Spaltbildung erst im Alter von dreieinhalb Jahren festgestellt und auch behandelt werden konnte, obwohl „Prinzessin“ schon seit dem Welpenalter klinische Probleme zeigte.