WissenGO! #2: CO₂ Atemkalk

In ihrer neuen Rubrik "WissenGO!" auf der AnaesthesieSkills-Plattform erklärt PD Dr. Eva Eberspächer-Schweda praxisrelevante Fragen aus der Veterinärmedizin-Anästhesie – kompakt, verständlich und direkt anwendbar. Ob Grundlagenwissen oder spezielle Fragestellungen aus dem Praxisalltag: Hier erhalten Tierärzt:innen und TFA klare Antworten, die sofort weiterhelfen. Nach WissenGO! #1 ("Apparativer Totraum") geht die Spezialistin der Frage nach, wann ist der richtige Zeitpunkt, um den CO2 Atemkalk am Anästhesiegerät zu wechseln.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um den CO2 Atemkalk am Anästhesiegerät zu wechseln?

Nicht zu früh und nicht zu spät… Bei den meisten unserer Kleintierpatienten verwenden wir ein sogenanntes Rückatem- oder Kreissystem als Atemsystem an unserem Anästhesiegerät. Einer der großen Vorteile im Vergleich zum Nicht-Rückatemsystem ist der sparsame Verbrauch von Sauerstoff und Isofluran. Dieser wird ermöglicht, weil das ausgeatmete CO2 durch den Atemkalk gebunden wird, so dass der Patient bei der nächsten Einatmung ein CO2-freies Isofluran-/Sauerstoff-Gemisch einatmen kann.

ZIEL IST ES ALSO, den Atemkalk dann zu wechseln, wenn er noch weitestgehend funktionsfähig ist, aber auch nicht zu früh, um unnötige Verschwendung zu vermeiden!

ZU SPÄT: Ist der Atemkalk verbraucht, also vollständig mit CO2 gesättigt oder ausgetrocknet, kann kein weiteres CO2 mehr gebunden werden – dadurch kommt es zu einer Rückatmung von CO2 durch den Patienten.

ZU FRÜH: Wechselt man den Atemkalk bevor er komplett verbraucht ist, ist das Verschwendung von ökologischen und ökonomischen Ressourcen.

Welche Funktion hat der CO2 Absorberkalk?

In einem Rückatemsystem wird das vom Patienten ausgeatmete CO2 über den Atemkalk aus dem System genommen. Er bindet das CO2, damit der Patient wieder ein CO2-freies Isofluran-/Sauerstoff-Gemisch einatmen kann. Die folgenden Aussagen und Antworten können als „Wolken“ oder Textboxen in den Artikel eingebettet werden.

  • „Bei uns in der Praxis wird der Atemkalk, unabhängig vom Farbumschlag, 1x in der Woche gewechselt.“

Wird der Atemkalk routinemäßig an einem bestimmten Wochentag gewechselt, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass er entweder bereits vollkommen funktionslos ist und schon kein CO2 mehr binden kann oder, dass er viel zu früh gewechselt wird und noch viele Stunden funktionsfähig gewesen wäre. Diese Methode ist also nicht zielführend.

  • „Wir dokumentieren die Anästhesiezeit in Stunden und wechseln den Atemkalk nach einer bestimmten Stundenanzahl.“

CO2 ist ein Stoffwechselprodukt der Zellen. Aus diesem Grund hängt die Menge des ausgeatmeten CO2 von der Masse des Tieres ab (zum Beispiel atmet ein 50 kg schwerer Rottweiler wahrscheinlich rund 50x mehr CO2 pro Stunde ab als ein 1 kg schwerer Chihuahua). Deshalb ist auch diese Methode nicht zielführend.

  • „Wir wechseln den Atemkalk, wenn wir den Farbumschlag nach lila sehen.“

Auch diese Methode ist sehr ungenau (Bild 1). Auf der einen Seite verschwindet die lila Farbe wieder, wenn der Atemkalk nicht mehr in Verwendung ist. Obwohl die Körner dann wieder weiß sind, können diese trotzdem kein CO2 mehr binden. Das könnte eine falsche Sicherheit vermitteln. Auf der anderen Seite kann auch teilweise lila gefärbter Atemkalk noch ausreichend CO2 binden. Diese Methode ist also auch ungenau.

Wie kann ich also wirklich einschätzen, ob der Atemkalk verbraucht ist und gewechselt werden muss?

Die Kapnographie ist nach den 2025 veröffentlichten ACVAA Leitlinien zur Überwachung der Vitalparameter während der Anästhesie bei Hund und Katze eines der zur Grundausstattung gehörenden apparativen Überwachungsgeräte. Mit diesem Gerät wird der CO2 Partialdruck sowohl während der Ausatmung (endtidal = etCO2) als auch während der Einatmung (inspiratorische Fraktion = FiCO2) gemessen. Ist der Atemkalk voll funktionsfähig (sowie das Anästhesiegerät fehlerfrei und der Totraum klein) wird das gemessene FiCO2 minimal sein (Bild 2). Nimmt die Funktion des Atemkalks jedoch ab, wird FiCO2 (sehr) langsam ansteigen (Bild 3). Dieser Anstieg des FiCO2 ist der konkrete Hinweis, dass der Atemkalk verbraucht ist und gewechselt werden muss. Dieser Wechsel kann erfolgen, sobald der Patient nach Beendigung der Anästhesie vom Gerät abgehängt und der Sauerstofffluss sowie Verdampfer vom Isofluran/Sevofluran ausgeschaltet sind.

MERKE

Der normale FiCO2 Partialdruck liegt zwischen 0 und 3 mmHg. Auch ein etwas höherer FiCO2 Partialdruck ist für den Patienten nicht schädlich, wenn dieser nicht zweistellige Werte über viele Stunden einatmet.

Literatur

  • The American College of Veterinary Anesthesia and Analgesia Small Animal Anesthesia and Sedation Monitoring Guidelines 2025
  • Bailey K, Briley J, Duffee L, Duke-Novakovski T, Grubb T, Kruse-Elliott K, Love L, Martin-Flores M, McKune C, Oda A, Pang DSJ, Posner LP, Reed R, Sager J, Sakai DM, Schultz AW, Tenenbaum-Shih S.
  • Vet Anaesth Analg. 2025 Jul-Aug;52(4):377-385 doi: 10.1016/j.vaa.2025.03.015.