Bandscheibe postoperativ - was nun? Rehabilitation und Physiotherapie

Physiotherapie ist eine Rehabilitationsmaßnahme und bedeutet definitionsgemäß die Verabreichung physikalischer Reize an verschiedene Organe und Gewebe mit dem Ziel, eine genesungsfördernde Reaktion des Organismus zu bewirken. Sie ist ein sehr wichtiger Teil der Behandlung von Bandscheibenpatienten. Das primäre Ziel ist eine Wiederherstellung der Funktion von Muskeln, Gelenken und Nerven und damit des normalen Bewegungsablaufs. Massage, Hydro- sowie Bewegungstherapie sind die wichtigsten physiotherapeutischen Methoden, die in einem Physiotherapieprogramm kombiniert werden.

Neben der Physiotherapie spielen in der Rehabilitation auch begleitende Maßnahmen, wie insbesondere Schmerzbehandlung (inklusive Analgetika) aber auch Wundmanagement, Dekubitusprophylaxe und Blasenmanagement eine sehr wichtige Rolle.

Die klassische Massage hat einen Einfluss auf den Muskeltonus, regt den Stoffwechsel des Gewebes an, beschleunigt den Lymphfluss, ist hyperämisierend und kann Schmerzen lindern. Nicht zu unterschätzen ist der positive psychische Effekt auf das Tier. Auf Grund der mechanischen Wirkung werden Verklebungen zwischen Haut und Muskel sowie Bändern gelöst und die Blutzirkulation im Gewebe beschleunigt. Es werden schmerzerzeugende Substanzen, wie z.B. Laktat, abtransportiert.

Fünf Grundhandgriffe bei der klassischen Massage

Bei der klassischen Massage werden fünf Grundhandgriffe unterschieden: Effleurage (Streichung), Petrissage (Knetung - Abb. 1), Friktion (Reibung), Tapotement (Klopfung) und Vibration (Schüttelung). Unter passiver Bewegung wird ein durch die Therapeut:innen sanftes Bewegen von Gelenken (Abb. 2), sowie das Mobilisieren der Muskulatur (Dehnen) und des Nervensystems (neurales Gleiten) verstanden. Der Patellar- und Flexorreflex sind für das reflexinduzierte Training (RIT) gut geeignet (Abb. 3). Die Durchblutung und Beweglichkeit wird gefördert, und so bleigt das Bewegungsgefühl erhalten. Bei eingeschränkter Beweglichkeit kommt es sehr schnell zu Kontrakturen, zu Gelenksversteifungen und Knorpeldegeneration. Können die Tiere nicht selbst aufstehen, müssen sie täglich mehrmals aufgestellt werden. So bekommt der Patient wieder ein Gefühl für die normale Körperhaltung und die Stellung der Beine im Bezug zum Körper.

Idealerweise sollte postoperativ so früh wie möglich mit einem dem Patienten individuell angepassten Reha-Programm begonnen werden. Der Patient darf nicht überfordert werden, und neben den physiotherapeutischen Methoden ist größten Wert auf die Schmerzkontrolle und das Blasenmanagement zu legen."

Dr. Iris Challande-Kathmann, INDIKA-animalreha SA

Hydrotherapie

Damit die Muskulatur wieder aufgebaut und die ursprüngliche Kraft wieder erlangt wird, ist ein gezieltes tägliches Training nötig. Sobald möglich kommt die aktive Bewegungstherapie, insbesondere die Hydrotherapie dazu. Sie beinhaltet Laufen mit Unterstützung und
Gangschulung sowie Gleichgewichts- und Koordinationsübungen (Foto 4.) Es gibt gute Geschirre zur Unterstützung bei Paresen aller Art.

Die Arbeit im Wasser steigert die Kraft und Ausdauer der Muskulatur. Das Bewegungsausmaß der Gelenke sowie die Ausdauer des Herz-Kreislaufsystems reduzieren die Schmerzen. Im Wasser ist der Körper leichter und wird stabilisiert. Dadurch können auch an Land nicht stehfähige Tiere bewegt und auch Tiere mit schmerzhaften Gelenken einfacher und mit geringerer Belastung trainiert werden. Ein Muskelaufbau ist so in einer früheren Phase der Rehabilitation möglich. Durch den vom Wasser ausgeübten Druck werden Schwellungen reduziert. Die Druckrezeptoren und Thermorezeptoren werden stimuliert und damit die Schmerzen gesenkt, die Körperwahrnehmung gesteigert und das Wohlbefinden gefördert. Die Hydrotherapie auf dem Unterwasserlaufband (UWL) bietet die optimalen Voraussetzungen für die Wiedererlangung der normalen Bewegungsabläufe (Abb. 5). Wunden werden mit einer wasserabstoßenden Salbe (z.B. Zinksalbe) geschützt.

Jeden Tag wird das Programm dem Zustand des Patienten angepasst. Die einzelnen Übungen werden 2-3 Mal pro Tag durch die Therapeut:in oder die gut angeleiteten Patientenbesitzer:in wiederholt. Die Physiotherapie und Rehabilitation gestaltet sich beim zervikalen Bandscheibenvorfall prinzipiell gleich wie bei Vorfällen auf thorakaler oder lumbaler Ebene. Bei der Hydrotherapie ist hier darauf zu achten, dass der Patient nicht ständig in einer Hyperextensionsstellung des Halses verbleibt, was zu Reizungen und Schmerzen führen kann. Schwimmen ist daher in der Anfangsphase häufig kontraindiziert.

Postoperativ kann die Wunde gekühlt werden. Die Blase muss regelmäßig kontrolliert und evtl. ausgedrückt werden. Das Tier wird weich gelagert und bei Bedarf regelmäßig gewendet. Die Pfoten sind vor Verletzungen zu schützen. Die Wunde ist zu pflegen, und auf Serombildung ist zu achten. Nach Entlassung können die Besitzer:innen nach genauer Instruktion die folgenden Methoden größtenteils auch zu Hause fortführen.

  • Passive Bewegung: 3 Mal pro Tag jedes Gelenk einzeln passiv bewegen. Muskulatur dehnen.
  • RIT: Patellarreflex und insbesondere Flexorreflex sehr gut geeignet, täglich bei passiver Bewegung miteinbauen.
  • Massage: 1-3 Mal pro Tag werden der Rücken und die Hintergliedmaßen massiert, bei verspannter Muskulatur der Vordergliedmaßen diese miteinbeziehen. Bei Hypertonus wird lockernd massiert, bei schlaffer Lähmung tonisierend.
  • Hydrotherapie: Schwimmen oder UWL. Das Tier wird vorsichtig an das Wasser gewöhnt. Schwimmen bzw. Gangschulung, Gleichgewichtsübungen, einmal täglich bis einmal die Woche.
  • Aktive Bewegung: Täglich wird mindestens 5 Mal das Laufen trainiert, das Gleichgewicht und die Koordination gefördert.

Regelmäßige Kontrollen und Behandlungen durch die Therapeut:innen (einmal pro Woche) sind zu empfehlen. Das Tier hat während 6 Wochen strikten Leinenzwang, darf nicht springen, Treppen laufen oder wild spielen. Danach kann langsam aufbauend eine Mehrbelastung beginnen. Bei starken Schmerzen oder Wundheilungsstörungen, wie z.B. Serombildung werden bevorzugt Lasertherapie, aber auch Magnetfeldtherapie und/oder Elektrotherapie zusätzlich angewendet. Die Geweberegeneration wird gefördert und durch verschiedene Mechanismen der Schmerz gehemmt (z.B. Überdeckungseffekt oder Endorphinfreisetzung). Therapeutischer Ultraschall wird gerne bei sehr schmerzhaften Muskelverspannungen eingesetzt.

Take home message

Idealerweise sollte postoperativ so früh wie möglich mit einem dem Patienten individuell angepassten Reha-Programm begonnen werden. Der Patient darf nicht überfordert werden, und neben den physiotherapeutischen Methoden ist größten Wert auf die Schmerzkontrolle und das Blasenmanagement zu legen.

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