Dr. Lorenz Schmid: „Hinsichtlich der Zahl versicherter Tiere ist in Deutschland noch Luft nach oben.“

Dr. Lorenz Schmid gründete mit der Tierklinik Oberhaching eine der heute größten privat geführten Kliniken in Deutschland. Der Fachtierarzt für Zahnheilkunde für Kleintiere und Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Tierzahnheilkunde (DGT) hat sich Zeit für ein Interview zum Thema Zahnmedizin für Hunde und Katzen genommen. Wir wollten von dem erfahrenen Tierarzt erfahren, welche Präventivmaßnahmen alle Tierhalter:innen unbedingt kennen und befolgen sollten, wie teuer eine Zahnsteinentfernung werden kann und weshalb der Fachtierarzt seinen Kund:innen zu einer Tierkrankenversicherung rät.

Das Team der Tierklinik Oberhaching besteht derzeit aus mehr als 60 ausgebildeten Tierärzt:innen, darunter knapp 20 Fachärzt:innen. Was würden Sie sagen, zeichnet Ihre Tierklinik aus?

Dr. Lorenz Schmid: Was unsere Klinik auszeichnet, ist der Teamspirit. Es ist uns sehr wichtig, dass der Respekt untereinander gegeben ist. Es gibt beispielsweise keinen Unterschied im Umgang zwischen einer Reinigungskraft und unseren Oberärzt:innen. Wir möchten fair miteinander umgehen. Dafür setzen sich bei uns Tutor:innen auf allen Ebenen ein.

Außerdem ist es uns ein großes Anliegen, uns im medizinischen Bereich permanent auszutauschen. Während ich mich in einer Operation befinde, kann ich beispielsweise schnell einen Dermatologen dazu bitten, damit er sein Urteil zur Situation geben kann. Der fachliche Austausch im laufenden Betrieb ist neben dem Teamspirit essenziell. Das kommt definitiv dem Patienten zugute.“

Was hat Sie nach der Gründung der Tierärztlichen Klinik Oberhaching 1994 dazu bewegt, in den folgenden Jahren Ihre Ausbildung mit Spezialisierung auf Zahnheilkunde an der ESAVS in Luxemburg fortzusetzen? Was reizt Sie besonders?

Dr. Lorenz Schmid: Ich bin sehr früh zur Zahnheilkunde gekommen, weil damals in Deutschlandmit Dr. Dr. Peter Fahrenkrug ein charismatischer Tierarzt tätig war. Er gab spannende Fortbildungen, die mich seit 1990 fesselten. Damals legte mir gleich eine Zahnröntgenanlage zu.

Da ich einige Zeit im Ausland war, lernte ich einige Superlative kennen und es war immer mein Ziel, möglichst auf dem höchsten Niveau zu arbeiten. Vor ein paar Jahren war ich dann nochmal an der Universität Davis in Kalifornien, wo die bekanntesten Zahnspezialisten auf sehr hohem Niveau arbeiten. Wir versuchen hier in der Klinik, diesem Anspruch gerecht zu werden.“

Wie ist Deutschland in Bezug auf Ihre Spezialisierung zu anderen europäischen Ländern positioniert?

Dr. Lorenz Schmid: Das Niveau der Tierheilkunde verhält sich häufig direkt proportional zu der Anzahl der versicherten Tiere. In Großbritannien wird auf sehr hohem Niveau gearbeitet, wie auch in Skandinavien. Hier in Deutschland hinken wir diesbezüglich ein bisschen hinterher. Hinsichtlich der Zahl versicherter Tiere ist in Deutschland noch Luft nach oben.

Was können Sie Tierbesitzer:innen von Hunden und Katzen zum Thema Zahnbehandlungen raten? Welche Präventionsmaßnahmen sollten alle Besitzer:innen kennen und befolgen?

Dr. Lorenz Schmid: Wichtig ist, und das ist leider keine Selbstverständlichkeit, dass man den Welpen schon bei der Erstvorstellung genau untersucht, um zum Beispiel eine Kieferfehlstellung festzustellen. Wir raten dazu, noch einmal während des Zahnwechsels zu uns zu kommen, um diesen auch zu begleiten. Auch dabei können hin und wieder Probleme auftreten, die rassebedingt sehr unterschiedlich sind. Tierbesitzer:innen erwarten, dass Hunde und Katzen bei Zahnproblemen nichts mehr fressen - das ist aber leider nicht der Fall. Die Tiere leiden oft still vor sich hin mit ihrem vereiterten oder abgebrochenen Zahn. Daher sehen wir die jährliche Untersuchung als sehr, sehr wichtig an.

Es gibt auch Präventionsmaßnahmen, die mittlerweile gut angenommen werden: Das Zähneputzen bei Hunden beispielsweise funktioniert gut, wenn man früh genug damit anfängt. Dazu informiert übrigens auch ein Präsentationsvideo auf unserer Website. Bis zu einem gewissen Grad hat auch das Futter und Kauartikel großen Einfluss auf die Zahngesundheit. Hier empfehlen wir, auf eine spezielle Zertifizierung zu achten. Veterinary Oral Health Council (VOHC) ist ein Zertifikat, das vergeben wird, nach dem Zahnspezialisten in den USA Futter- oder Kauartikel getestet haben. Das Zertifikat gibt dem Besitzer eine gewisse Sicherheit, gutes Futter zu kaufen.

Welche Zahnbehandlungen/-krankheiten behandeln Sie am häufigsten?

Dr. Lorenz Schmid: An oberster Stelle stehen die Zahnsteinbehandlung und Parodontitis. Es gibt praktisch keinen Hund und keine Katze, die nicht ab dem 2. bis 3. Lebensjahr behandlungswürdig wären. Außerdem müssen viele Zahnfrakturen behandelt werden. Uns als Kieferorthopäden ist es wichtig, nur medizinisch indizierte und keine Schönheits-OPs zu machen. Letztere lehnen wir aus ethischen Gründen ab. Darüber hinaus führen wir viele Tumoroperationen, teils mit Kieferresektionen, durch.

Betreffen Zahnbehandlungen eher Hunde oder Katzen? In welchem Rahmen bewegen sich die Gesamtkosten im Schnitt für die Tierhalter:innen?

Dr. Lorenz Schmid: Tatsächlich sind beide davon betroffen. Allerdings mit unterschiedlichen Krankheitsmustern, aber mit vergleichbarer Häufigkeit. Im Hinblick auf die Kosten ist das Narkosemanagement ein fester Posten. Eine Operation erfordert immer ein umfangreiches Narkosemanagement, wofür wir eine eigene Anästhesieabteilung haben. Die Kostenhöhe wird aber auch durch die Operationszeit beeinflusst. Wenn man bei einer aufwändigen Zahnsteinentfernung von einer Operationszeit von einer Stunde ausgeht, liegt man mit Narkose bei ca. 500 – 800 €. Zusätzlich raten wir bei jeder Erstvorstellung zu einem Full-Mouth-Röntgen, was die Kosten zusätzlich steigert.

Sie bieten dem Kunden Konsultationen per Video-Sprechstunde an. Was sind für Sie die Hauptvorteile dieser modernen Beratung und wo liegen ihre Grenzen?

Dr. Lorenz Schmid: Wir bieten das schon seit geraumer Zeit an. Es wird aber nicht so angenommen, wie wir ursprünglich dachten. Die Online-Sprechstunde hat den Vorteil, dass sie für die Besitzer:innen bequemer sind, wobei Probleme online nur begrenzt erklärt und gelöst werden können. Meiner Erfahrung nach ziehen die Besitzer die persönliche Sprechstunde vor Ort vor. Kurz gesagt, die Präsenz ist doch von höherer Bedeutung. Allerdings lasse ich mir im Vorfeld und im Nachgang an die Behandlung von den Besitzern gern auch Bilder vom Tier schicken, um einzuschätzen, welche Probleme bei einer OP auf uns zukommen und wie sich der Patient nach der OP entwickelt.

Sie arbeiten mit hochmodernen Geräten und modernster Technologie, um den vierbeinigen Patienten die beste medizinische Versorgung zu bieten. Worin sehen Sie die wesentlichen Vorteile?

Dr. Lorenz Schmid: Ja, es zeigt sich eine deutliche Entwicklung. Vor 15 Jahren erwartete man, dass eine Klinik ein CT besitzt, später hielt das MRT Einzug. Mittlerweile ist es Standard, dass die Besitzer:innen bei ihrem Hund ein MRT machen lassen möchten oder auch Cone Beam in der Zahnheilkunde. All das bieten wir an, weil wir den Anspruch unserer Kund:innen im Hinblick auf diese diagnostischen Mittel bedienen möchten. In unserer Tierklinik braucht der Neurologe in der Regel ein MRT, wenn er eine Fragestellung bezüglich der Wirbelsäule hat. Die Entwicklung in der Tiermedizin ist der der Humanmedizin sehr ähnlich.

Wir arbeiten daran, den Besitzer:innen aufzuzeigen, wie teuer Tiermedizin auf hohem Niveau geworden ist. Eine entsprechende Tierkrankenversicherung lohnt sich in jedem Fall."

Dr. Lorenz Schmid, Tierklinik Oberhaching

Aus welchen Gründen würden Sie Ihren Kund:innen eine Tierkrankenversicherung empfehlen?

Dr. Lorenz Schmid: Wir empfehlen Tierkrankenversicherungen generell, allerdings keine spezielle. Wir raten den Besitzer:innen dazu, sich auf dem Markt umzusehen, damit er selbst entscheiden kann, welche Kriterien für ihn wichtig sind. Für uns Tierärzt:innen ist es erheblich entspannender, einen kritischen Patienten zu behandeln, der versichert ist, weil man nicht in diese Bredouille kommt, zu hinterfragen, ob die Besitzer:innen sich leisten können, was tatsächlich notwendig wäre. Die Kosten sind aufgrund der speziellen Diagnostik und gezielter Therapien, die heute möglich sind, teilweise sehr hoch.

Für stationäre Patienten, die mit 24-Stunden-Überwachung, Sauerstoffbox und Geräteüberwachung sehr intensiv versorgt werden müssen, fallen schnell Kosten pro Tag in Höhe von 500 € oder mehr an. Wenn ein Patient dann eine Woche stationär bleiben muss, kann das teuer werden. Deshalb ist es wichtig, sich nach eigenen individuellen Möglichkeiten entsprechend abzusichern.“

Hat sich die Einstellung der Besitzer hinsichtlich des Abschlusses einer Tierkrankenversicherung geändert?

Dr. Lorenz Schmid: Ja, das Bewusstsein über die Wichtigkeit der Tierkrankenversicherung ändert sich tatsächlich. Tiere sind häufig bereits versichert, wenn sie zu uns kommen. Und der Anteil an versicherten Kunden wächst. Wir Tierärzt:innen neigen dazu, uns auf unsere fachlichen Kompetenzen zu konzentrieren und eigentlich sprechen wir nicht so gerne über Geld. Gerade jungen Tierärzt:innen fällt es nicht leicht, Kosten zu kommunizieren. Manchmal müssen sie auch schwierige Entscheidungen treffen, die medizinisch besser gelöst werden könnten, wenn eine Tierkrankenversicherung abgeschlossen worden wäre. Deshalb empfehlen wir uneingeschränkt, zur Versicherung der Tiere.

Was würden Sie Kund:innen sagen, die sich für eine OP-Versicherung entscheiden?

Dr. Lorenz Schmid: Operationen sind für den Besitzer der offensichtlichste Fall, für den es gut ist eine Versicherung zu haben. Jedoch können auch stationäre Aufenthalte erhebliche Kosten verursachen. Eine OP-Versicherung reicht dann aber nicht aus, da sie diese Kosten nicht abdeckt.

Aus meiner Sicht ist ein Komplettschutz ein sehr faires Angebot, weil es für einen Besitzer, der sich nicht mit den Einzelheiten von Tierkrankenversicherungen auseinandersetzt, leichter verständlich ist. Aufgrund von Intransparenz und Unverständnis kommt es immer wieder vor, dass Besitzer:innen erst bei Auftreten einer Erkrankung merken, dass das Tier dafür nicht versichert ist. Deshalb, je transparenter das Angebot, desto besser für den Kunden.