Osteoarthrose-Management im Wandel

Kathrin Euringer, Tierärztin und Medical Managerin bei Vetoquinol, interviewt Prof. Dr. Susanne Lauer, LMU München

Osteoarthrose ist ein häufiger Grund für Schmerzen und Beeinträchtigung der Lebensqualität, vor allem bei geriatrischen Patienten. Da sich die tiermedizinische Versorgung stetig verbessert, werden immer mehr ältere Hunde und Katzen, die an Osteoarthrose leiden, in der Praxis vorstellig. Die Komplexität des Krankheitsgeschehens und der empfohlene multimodale Therapieansatz erfordern eine umfangreiche Aufklärung von Patientenbesitzer:innen, für die im Praxisalltag nicht immer die vorhandenen Ressourcen vorhanden sind. Wie lässt sich also ein besseres Osteoarthrose-Management in den Praxisalltag integrieren und wie kann ich als Tierärzt:in Patientenbesitzer:innen optimal unterstützen? Dazu hat Kathrin Euringer, Tierärztin und Medical Managerin bei Vetoquinol, mit Prof. Susanne Lauer von der LMU München gesprochen.

Frau Prof. Lauer, eines der Themen beim Xpertise Kongress in Lissabon (siehe Infokasten) war das sog. Caregiver-Burden von Patientenbesitzer:innen, deren Hund an Osteoarthrose erkrankt ist. Was verstehen Sie unter der „Caregiver-Burden“?

Prof. Susanne Lauer: Der Begriff „Caregiver-Burden“ kommt ursprünglich aus der Humanmedizin und beschreibt die Belastung, der Angehörige bei der langfristigen Pflege einer Person ausgesetzt sind. Die Erkrankung der zu pflegenden Person und die Pflege führen dabei zu einer direkten Beeinflussung der Lebensqualität des pflegenden Angehörigen. Bei Hunde- und Katzenhalter:innen ist das gar nicht so viel anders. Ein Beispiel: Eine Familie kauft sich einen jungen Golden Retriever als Familienhund. Der Plan ist, dass dieser die Familie unter anderem bei Wanderungen in die Berge begleiten wird. Nun entwickelt dieser Hund aufgrund einer Ellbogengelenksdysplasie (ED) sehr jung eine Osteoarthrose im Ellbogenbereich. Auch nach einem operativen Eingriff erreicht der Hund seine vorherige Belastbarkeit nicht wieder. Zusätzlich ist die Arthrose leider fortschreitend. Nun muss die Familie lernen, mit der Erkrankung des Hundes umzugehen und durch die Erkrankung ihres Hundes Anpassungen an ihren Alltag vornehmen, was oft nicht einfach ist. Wenn zum Beispiel der Hund aufgrund seiner Erkrankung nicht mit zum Wandern kann, die Besitzer:innen aber das das Tier nicht alleine zuhause zu lassen möchte, kann es am Ende darin resultieren, dass die Familie gar nicht mehr wandern geht. Die Patientenbesitzer:innen können mit dem Thema Arthrose auch überfordert sein, denn Osteoarthrose ist ein sehr komplexes Thema. Viele verschiedene Komponenten können langfristig gesehen das Leben der Familie, oder eben des Caregivers, beträchtlich beeinflussen und verkomplizieren.

Wie können Tierärzt:innen Ihrer Meinung nach Patientenbesitzer:innen nach der Diagnose „Osteoarthrose“ für ihr Tier bestmöglich unterstützen, sodass die „Caregiver-Burden“ nicht zum „Caregiver Burnout“ führt, das heißt, zu einer völligen Überlastung des Patientenbesitzer:in?

Prof. Susanne Lauer: Es ist wichtig, als Tierärzt:in nicht nur an den Patienten, sondern auch an die Patientenbesitzer:innen zu denken. Man weiß aus Studien, dass das Caregiver-Burden mit der Komplexität der Behandlungspläne wächst. Das heißt, ich muss Besitzer:innen in meinen Plan miteinbinden. Ich kann als Tierärzt:in den tollsten Behandlungsplan entwickeln, dieser nützt jedoch wenig, wenn ich die Patientenbesitzer:innen damit nicht abhole. Das bedeutet auch, dass deren Meinungsäußerung zum Behandlungsplan erlaubt und erwünscht ist. Wichtig ist, als Tierärzt:in Fragen neutral zu formulieren, sodass Patientenbesitzer: innen sich nicht genötigt fühlen, zu irgendetwas zuzustimmen, das für ihr Leben gar nicht passt und das sie nicht erfüllen können. Mir fällt außerdem auf, dass Besitzer:innen von Osteoarthrose-Patienten teilweise berichten, sich irgendwann regelrecht verloren zu fühlen. Oft ist in der Praxis nicht genug Zeit, sich mit den multiplen Problemen auseinanderzusetzen, die die Osteoarthrose mit sich bringt. Auch die finanzielle Belastung kann bei Osteoarthrose sehr hoch sein. Manchmal wird der Behandlungsplan vom/von der Tierärzt:in angepasst, ohne mit dem/der Besitzer:in abzuklären, ob die bisherigen Schritte erfolgreich waren, ob sie im Alltag funktioniert haben und so weiter. Das kann zu einer resignierten Einstellung bei Patientenbesitzer:innen führen. Möglichst klar zu sein in den Aussagen und Empfehlungen und verständnisvolles Rückversichern, dass der/die Patientenbesitzer:in noch „mit an Bord“ ist, können hier wertvoll sein. Zusätzlich können auch wir Tierärzt:innen durchaus frustriert sein, denn Osteoarthrose kann nicht geheilt werden. Auch diese Frustration kann sich auf Besitzer:innen und deren Motivation negativ auswirken. Deshalb ist es wichtig, als Tierärzt:in auf die eigene Einstellung und Ausstrahlung zu achten.

Der Begriff „Caregiver-Burden“ kommt ursprünglich aus der Humanmedizin und beschreibt die Belastung, der Angehörige bei der langfristigen Pflege einer Person ausgesetzt sind."

Prof. Dr. Susanne Lauer, LMU München

Ein weiteres Thema, das in der Tiermedizin immer mehr in den Fokus rückt, ist das Einbinden der Patientenbesitzer:innen in ein „Team“ mit Tierärzt:in und TFA, um nachhaltige Therapieerfolge zu erreichen. Woher kommt dieser Wandel in der Denkweise in der Tiermedizin?

Prof. Susanne Lauer: Ja, diesen Wandel kann ich bestätigen. Ich bin in einer Generation aufgewachsen, in der die Tierärzt:innen in ihrem weißen Kittel Patientenbesitzer:innen gegenüberstanden und konkrete Anweisungen gegeben haben – nicht zwingend wurden die fachlichen Hintergründe des Behandlungsplans überhaupt erklärt. Man hat weniger daran gedacht, auch wirklich eine Beziehung zu den Patientenbesitzer:innen aufzubauen und sie in die Behandlungsentscheidungen miteinzubinden. Mittlerweile hat man aber, wie auch in der Humanmedizin, eingesehen, dass Teamwork zu sehr viel besseren Behandlungsergebnissen führt. Natürlich darf ich als Tierärzt:in eine starke Meinung haben und muss diese auch in einigen Fällen zum Ausdruck bringen. Prinzipiell macht es aber Sinn, Patientenbesitzer:innen in die Planung miteinzubeziehen, sich mit ihnen zu beraten und die Möglichkeiten zusammen abzuwägen.

Auf dem diesjährigen Xpertise-Kongress wurde zudem über die Möglichkeit diskutiert, das Praxisteam in Aufgaben einzubinden, die in vielen Praxen noch eher den Tierärzt:innen vorbehalten sind. Wobei könnten die TFAs Tierärzt:innen im Rahmen des Osteoarthrose-Managements unterstützen?

Prof. Susanne Lauer: Wenn Patientenbesitzer:innen zur Osteoarthrose ein allgemeines Informationsgespräch haben möchten, kann das sehr zeitintensiv werden, die ich als Tierärzt:in vielleicht nur bedingt übrig habe. Habe ich hier eine:n TFA, der oder die entsprechend fortgebildet ist und das Thema mag, kann diese:r eine solche allgemeine Beratung übernehmen. Ich denke, die Zertifizierung von solchen TFAs, die auf Osteoarthrose spezialisiert sind, wäre ein großer Gewinn. Das wäre dann ein:e TFA, die eine allgemeine Osteoarthrose-Sprechstunde macht, Fragen klärt, den Patientenbesitzer:innen einfache Übungen aus der Physiotherapie zeigt und sich langfristig um Tier und Besitzer:in mitkümmern kann. Dann könnten die Tierärzt:innen in den Praxen die tierarztspezifischen Aspekte besprechen und zusätzlich auf eine ergänzende Sprechstunde mit der „Osteoarthritis Nurse“ verweisen. Ein weiterer Vorteil ist, dass das Tier regelmäßig vorstellig wird und gemonitort wird, sodass der Fortschritt beobachtet werden kann. Im Rahmen einer solcher Sprechstunde könnte auch schon über Rasseprädispositionen, die richtige Fütterung im Welpenalter und die Wichtigkeit eines idealen Körpergewichts aufgeklärt werden. So könnte man Patientenbesitzer:innen zu präventiven Maßnahmen zur Vermeidung von Osteoarthrose schulen und mehr Wissen vermitteln. Eine Checkliste für Osteoarthrose-Patienten zum Abhaken kann hierbei unterstützen, ebenso wie Infomaterial zum Mitgeben. Spezielle Empfehlungen, das Erstellen des Behandlungsplans sowie das Abwägen weiterer Behandlungsmöglichkeiten sollten aber in tierärztlicher Hand bleiben.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass im Bereich des Osteoarthrose-Managements ein Wandel in der Tiermedizin stattfindet. Gerade bei der Verteilung von Aufgaben im Praxisteam und dem Einsatz von Hilfsmitteln wie Checklisten sind noch Potentiale ungenutzt, die den Praxisalltag für die Tierärzt:innen erleichtern könnten und eine bessere Versorgung von betroffenen Tieren ermöglichen. Wir bedanken uns bei Prof. Lauer für dieses spannende Interview und freuen uns auf den Xpertise Kongress 2024.