UZH-Klinikreportage: Happy Visits und Growing Dog Project in Zürich

Prof. Dr. Stefan Unterer wurde am 1. Februar 2022 vom Vetsuisse-Rat und der Universität Zürich zum außerordentlichen Professor für Innere Medizin Kleintiere an der Vetsuisse-Fakultät der UZH ernannt und ihm die Direktion der Klinik für Kleintiermedizin übertragen. Mit großer Freude und einer gehörigen Portion Stolz begrüßte mich der in Österreich geborene und in Deutschland beruflich sozialisierte und in der Schweiz angekommene Tiermediziner. "Ich liebe es, Gäste durch das Tierspital der UZH zu führen", erklärt Unterer bei der Begrüßung, "da wird mir immer wieder bewusst, in welch unbeschreiblich professionellen Umgebung ich täglich arbeiten darf!"

Das Universitäre Tierspital Zürich umfasst alle klinischen Bereiche der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich. Zu seinen Aufgaben gehören die klinische Ausbildung der Studierenden, die klinische veterinärmedizinische, sowie translationale Forschung und die umfassende tierärztliche Versorgung von kranken Tieren. Das Tierspital verfügt über eine 24-Stunden-Notfallversorgung und beschäftigt mehr als 450 Mitarbeitende - gut die Hälfte ist in Versorgung, Lehre und Forschung im Kleintierbereich zuständig. "In meiner Abteilung ist die Expert:innen-Dichte sehr hoch, insgesamt arbeiten in meiner Abteilung 18 Diplomates, ca. 50 Tierärzt:innen und einige Pflegekräfte", fasst Unterer zusammen. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 28.487 Tiere versorgt, über die Hälfte davon waren Hunde, knapp 25 % Katzen. Interessant ist sicherlich die Tatsache, dass von den 20.000 Kunden immerhin 750 aus Deutschland anreisten, um ihre Tiere behandeln zu lassen.

Persönliche Klinikführung

Im Schnelldurchlauf erklärt der Direktor der Klinik für Kleintiermedizin, dass seit Anfang des Jahres ein neuer, topmoderner Linearbeschleuniger (LINAC) in Betrieb ist. Unter anderem erforscht das Team vom Tierspital auch die neue, sogenannte FLASH-Strahlentherapie zur Therapie des Oralen Pattenzellenkarzinoms der Katze, für das es bisher noch keine effektive Therapie gibt.

Die neu renovierte Intensivpflegestation (IPS) ermöglicht Pflege auf dem neuesten Stand der Forschung und Technik und macht Zürich zu einem internationalen Zentrum der tierärztlichen Notfall- und Intensivmedizin. Unter anderem werden hier spezielle Blutreinigungsverfahren bei Vergiftungen angewendet. Allein hier arbeitet ein Team von mehreren Oberärzt:innen, Residents und Interns.

Überaus zufrieden ist Unterer über die ausgezeichnete technische Ausstattung der gesamten Abteilung und stellt beispielhaft das neue Neuronavigationsgerät heraus, mit dem Patienten mit Hirntumoren Biopsien entnommen und die dann gezielt behandelt werden können.

Gemeinsam mit der LMU in München hat das Universitäre Tierspital Zürich sehr erfolgreich eine Therapie-Studie zur felinen infektiösen Peritonitis durchgeführt. Auf dem Gang treffen wir auf Dr. Andra Spiri, die erklärt: "Wir hoffen, dass wir mit der Studie die Grundlage liefern, damit GS-441524, das bisher nur auf dem Schwarzmarkt zu erwerben ist, in Zukunft doch als FIP-Medikament zugelassen wird".

Stefan Unterer ist froh, dass er in seiner Karriere viel in verschiedenen Universitäten, Tierarztpraxen und -kliniken gesehen und erlebt hat. Auf die Frage, was er am Schweizer Standort besonders schätzt, erklärt er: „Die wirklich gute Organisation ist hervorzuheben, sowie auch die freiwirtschaftliche Struktur.“ Er sagt, dass sich die Schweiz unternehmerisch an den USA orientiere. "Nachdem ich hier in Zürich beispielsweise für die Erweiterung der Kardiologie einen Businessplan erstellt habe, gibt es eine Anschubfinanzierung, so dass einerseits besser geplant werden kann, andererseits aber auch dafür gesorgt werden muss, dass die Investitionen sich später amortisieren", so Unterer.

Im Jahr 2023 wurden insgesamt knapp 15.000 Hunde im Tierspital versorgt."

Prof. Dr. Stefan Unterer, Klinik für Kleintiermedizin - Vetsuisse Fakultät - Universität Zürich (UZH)

Gastroenterologie-Service unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Kook

Nach dem Klinikrundgang bringt mich der Klinikdirektor zu Prof. Dr. Peter Kook, Oberarzt und Leiter des Gastroenterologie-Service am Universitären Tierspital. Er ist einer der weltweit führenden Gastroenterologen, hat an der TiHo Hannover studiert, dort ein Internship gemacht und am Institut für Anatomie promoviert. Nach Stationen in Duisburg und Norderstedt absolvierte er in Zürich und den USA die Ausbildung zum Spezialisten in Innerer Medizin (DACVIM) und erhielt später auch den europäischen Spezialistentitel.

Während er an diesem Vormittag seine Patienten behandelt, klärt er mich über einige der aktuellen Projekte auf. "Unser Team in der Gastroenterologie untersucht derzeit die Modulation des Darmmikrobioms als potenziellen Ansatz in der Behandlung chronischer Darmerkrankungen ", erklärt Peter Kook. „Wir untersuchen, ob die fäkale Mikrobiomtransplantation (FMT) oder die Behandlung mit einem lokal wirkenden Kortikosteroid bei Hunden mit chronischer Enteropathie klinisch wirksam ist“. Hierbei handelt es sich um ein sehr schonendes Verfahren für den Hund, bei dem weder eine Vollnarkose noch eine Sedation nötig ist. "Zunächst wird für eine FMT Spenderkot eines Hundes mit einem gesunden Darmmikrobiom gewonnen, das dann auf einen kranken Patienten übertragen wird. "Mit diesem Verfahren, das in der Humanmedizin bei Antibiotika-induzierten Durchfällen angewendet wird haben wir einige sehr positive Erfahrungen bei akuten und auch bei chronischen Darmerkrankungen machen können", fasst Peter Kook zusammen.

Unser Team an der Dermatologie des Universitären Tierspital Zürich untersucht derzeit das Darmmikrobiom als potenzielle Ursache von Allergien."

Prof. Dr. Peter Kook, Oberarzt und Leiter des Gastroenterologie-Service

Wer hart arbeitet, muss gut und gesund essen!

Die Mittagspause verbringe ich mit Peter Kook in der Tierspital Mensa, wo sich mittags alle Studierende und Mitarbeitende treffen. Hier wird nicht nur Wert auf ein gesundes und leckeres Essen gelegt, hier wird auch ein besonderes Augenmerk auf die nachhaltige Produktion der Speisen geachtet. Der Tierarzt klärt mich während des Mittagessens über das Mikrobiom auf, die im Darm von Hunden und Katzen lebenden Mikroorganismen, die das Immunsystem unterstützen, Nährstoffe nutzbar machen und die Ansiedlung krankmachender Keime verhindern. "Doch steht die tiermedizinische Forschung auf diesem Gebiet erst am Anfang, es bleibt noch viel zu tun", erklärt Peter Kook, der mich nach dem Mittagessen zu Tierärztin Dajana Birk bringt, die an diesem Nachmittag zwei an der Langzeitstudie "Growing Dog Project" teilnehmende Hunde nebst Besitzer:innen zu Gast hat.

Growing Dog Project: Langzeitstudie sammelt wertvolle Daten

"Die Gesundheitsvorsorge wird ein wichtiger Teil der tierärztlichen Praxis unserer Studierenden sein", erklärt Unterer, der dieses Thema in der Tiermedizin verankern will. Im Gegensatz zur Humanmedizin sind die Themen Prävention und Gesundheitsförderung aufgrund mangelnder Datenlage nicht etabliert. Um das Thema Gesundheitsprophylaxe voranzutreiben, hat er im Sommer 2023 das Projekt "Growing Dog Project" lanciert, in dessen Rahmen hochwertige Gesundheitsdaten von Hunden von der Geburt bis zum Lebensende erhoben werden.

Von der Gastroenterologie, Tierernährung und Diätetik, Endokrinologie und Nephrologie über die Kardiologie bis hin zur Kleintierreproduktion und Dermatologie sind fast alle Fachrichtungen der Kleintiermedizin vertreten. "Dank der Unterstützung verschiedener Firmen aus der Industrie kann eine so aufwändige Studie fortgeführt werden", berichtet Unterer und verrät, dass er mit Produzenten von hochwertigem Tierfutter wie Hill's Pet Nutrition, Royal Canin und Vet-Concept zusammenarbeitet

Happy Visits

Die jungen Hunde, die an der Langzeitstudie teilnehmen, werden in einer Serie von kurzen Sessions im Beisein einer diplomierten Hundetrainerin und einer Tierärztin spielerisch an Besuche in der Kleintierklinik gewöhnt. Es folgen dann regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen im halbjährlichen und später jährlichen Rhythmus. Dabei finden nicht alle Untersuchungen im Tierspital statt, auch die behandelnden Tierärzt:innen können die entsprechenden Proben von Blut, Urin und Kot an das Team in Zürich übermitteln. "Darüber hinaus werden die Hundebesitzer:innen über die weiteren tiermedizinischen Versorgungen informiert und sie füllen regelmäßig detaillierte Fragebögen aus", sagt Stefan Unterer. Der Gastroenterologe ist besonders an den Daten zur Darmflora interessiert und möchte durch die Langzeitstudie unter anderem der Zunahme chronischer und immunbedingter Erkrankungen bei Hunden auf den Grund gehen.

Das Team aus Expert:innen und Wissenschaftler:innen nutzen die zur Verfügung gestellten Informationen, Daten und Proben dazu, die Geheimnisse des gesunden Heranwachsens und Alterns zu entschlüsseln. "Anhand dieser Studie möchten wir frühzeitig identifizieren, was z.B. genau eine Rolle bei der Allergieentstehung spielt, so dass wir dann neue therapeutische, aber auch prophylaktische Ansätze entwickeln können", so Unterer, der sich wünscht, dass auf längere Sicht das Studiendesign von anderen Universitäten aufgegriffen und repliziert werden kann, um die Datenbasis zu verbreitern.

Die Tierwelt darf gespannt sein, welche Schlüsse aus der Studie gezogen werden können. Ich freue mich darauf, zu gegebener Zeit erneut nach Zürich reisen zu können, um die Zwischenergebnisse aufzugreifen und an dieser Stelle zu veröffentlichen.

Andreas Moll