Atlas Kleintierzahnheilkunde - Workshop im Buchformat

Interview mit Dr. Friedrich Roes.

Zahngesundheit erfährt in den niedergelassenen Praxen eine immer größere Bedeutung. Nicht nur die teilweise sehr einseitige Ernährung und das höhere Lebensalter der Haustiere führen zu vermehrten Zahnproblemen, sondern auch die Zusammenhänge mit Allgemeinerkrankungen sind in der Tiermedizin von großer Bedeutung und machen die Zahnheilkunde zu einem unverzichtbaren Spezialgebiet. Gerade im Vergleich zur Human-Zahnmedizin, die ein völlig eigenständiges und von der Allgemeinmedizin abgekoppeltes Spezialgebiet ist, erweist sich die Tierzahnheilkunde mit einer mehr ganzheitlichen medizinischen Betrachtungsweise als interessantes und spannendes Fachgebiet.

Mit dem Lehrbuch „Atlas Kleintierzahnheilkunde“ haben Sie, Herr Roes, Ihre langjährige Expertise aus der Praxis und als geschätzter Referent nun erstmals in einem Buch zusammengestellt. Was hat sie zu diesem Schritt bewogen?

Zur Tierzahnheilkunde hat mich Dr. Dr. Peter Fahrenkrug gebracht. Seine Vorlesungen waren für die damalige Zeit ultramodern und sehr, wirklich sehr unterhaltsam. Als studentische Hilfskraft habe ich ihn samstags bei seinen Vorlesungen unterstützt. Eines Tages hat er mir eine Dissertation zum Thema „Neck lesion“ bei der Katze angeboten, ab da ging es zügig voran. Die Dissertation hatte neben dem klinischen Teil auch einen pathohistologischen. Das Mikroskopieren liegt mir und erklärt sicherlich mein Faible für die Zytologie. Beide Gebiete leite ich seit über 30 Jahren in der Tierarztpraxis Dr. Sörensen. Im Laufe der Jahre kam dann noch die Referententätigkeit hinzu, u. a. als Lehrbeauftragter für Tierzahnheilkunde an der FU Berlin bis 2003. Seit 2016 haben wir die Zahn- und Zytoseminare ins Leben gerufen. Bei diesen Veranstaltungen ist die Teilnehmerzahl limitiert, um möglichst intensive und praxisnahe Wissensvermittlung gewährleisten zu können. Dort wurde der Wunsch nach einem Lehrbuch oft gestellt. Dabei hatte ich eigentlich nie vor, ein Zahnheilkundebuch zu schreiben, denn das Statement Fahrenkrugs „Lehrbücher über die Zahnheilkunde bei Menschen und bei Tieren sind eigentlich sinnlos“ erschien mir immer richtig.

Mit Ausbruch der Pandemie waren unsere Präsenzveranstaltungen nicht mehr möglich und so hatte ich letztlich die Zeit, in der die Idee zu einem „alternativen“ Buchprojekt gereift ist und die aufwändige Bildauswahl sowie das Schreiben möglich waren. Ich habe versucht, die Grundvoraussetzungen und die eher handwerklichen Methoden der Kleintierzahnheilkunde in einem Bildatlas so zu vermitteln, dass man sie nach dem Motto „Sehen – Verstehen – Anwenden“ direkt in der eigenen Praxis umsetzen kann.

Mit dem Verleger und Tierarzt Dr. Andreas Müller habe ich den idealen Passman gefunden, der meine Vorstellungen teilt und umzusetzen vermag."

Dr. Friedrich Roes, Berlin

Der Erfolg ihres Buches bestätigt letztlich Ihr Konzept, denn die erste Auflage war bereits nach drei Monaten ausverkauft und es gab schon Anfragen nach dem zweiten Band.

Tatsächlich ist die zweite Auflage des ersten Bands bereits knapp fünf Monate nach der Erstpublikation erschienen. Ein zweiter Band ist ebenfalls in Vorbereitung, der sich mit Kieferorthopädie bei Hund und Katze, Endodontie und minimal invasiver Versorgung von Kieferfrakturen beschäftigen wird. Das Konzept behalten wir bei. Mit dem Verleger und Tierarzt Dr. Andreas Müller habe ich den idealen Passman gefunden, der meine Vorstellungen teilt und umzusetzen vermag. Im zweiten Band werden über 1500 Bilder ihren Platz finden, und die Leser:innen dürfen sich auf viele OPs freuen. Wir sind zuversichtlich, dass man das Buch bereits dieses Jahr vorbestellen kann.

Sie sprechen gerade den Verlag an. Uns ist zu Ohren gekommen, dass Sie ein etwas ungewöhnliches Kooperationsmodell mit ihrem Verlag realisiert haben, das auf einer partnerschaftlichen Basis beruht.

Ja, mit dem Veterinärspiegel-Verlag beziehungsweise mit dem Verleger Dr. Müller, den ich noch als Programmleiter bei Parey/Blackwell und später bei Quintessenz kenne, habe ich schon einige innovative Projekte realisieren können. Vielen ist der Verlag nach der Umfirmierung in schaefermueller publishing nicht mehr so geläufig. Schaefermueller publishing hatte sich seit 2009 zunehmend auf medizinische Publikationen und digitale Verlagsservices spezialisiert und in dieser Funktion eher Agentur-ähnliche Geschäftsmodelle etabliert.

Die klassischen Verlagsbedingungen sind für Autor:innen wenig attraktiv, da für den großen Aufwand und das geistige Know-how sehr geringe Honorare gezahlt werden. Dagegen ist unser partnerschaftliches Modell eine faire Vereinbarung auf Augenhöhe, sofern man gewillt ist, als Autor:in das unternehmerische Risiko mit einzugehen.

Können wir uns noch auf weitere Titel aus Ihrer Feder freuen oder soll es bei den zwei Bänden Kleintierzahnheilkunde bleiben?

Es wird keinen dritten Band geben, vielleicht aber einen Zytologie-Atlas. Der Verlag hat meines Wissens einige neue Projekte in Planung, darunter ein Werk zur Heimtierzahnheilkunde, das ebenfalls einen ganz neuen Ansatz verfolgt und eine profunde Diagnostik vermittelt, um den teilweise gravierenden Spätfolgen des schlichten Zähne-Beschleifens vorzubeugen.

Was halten Sie für die wichtigsten Trends, die wir in Zukunft in der Tierzahnheilkunde bzw. Tiermedizin zu erwarten haben?

Die Tierzahnheilkunde hat sich etabliert, und den Praktiker:innen werden viele Fortbildungsmöglichkeiten geboten. An den Universitäten ist dies leider nicht so, dort genießt die Tierzahnheilkunde eher ein Nischendasein. Schade, wenn man bedenkt, wie viele Hunde und Katzen an einer Zahnerkrankung leiden. In der Tiermedizin wird das Themengebiet Onkologie immer wichtiger, hier wird die onkologische Prädiagnostik noch viel mehr in den Praxisalltag integriert werden. In meinen Augen ist es ein Muss, eine Umfangsvermehrung vor dem eigentlichen Eingriff zytologisch abzuklären, um den angemessenen Sicherheitsabstand bei der Entfernung bestimmen zu können.

Vielen Dank für das interessante Gespräch.