Kleinsäuger auf dem Vormarsch!

Kleinsäuger sind auf dem Vormarsch. 2022 lebten rund 34,4 Millionen Haustiere in deutschen Haushalten, rund 5 Millionen waren Heimtiere - Tendenz steigend. Mit dem wachsenden Stellenwert der Kleinsäuger steigt der Wunsch der Besitzer:innen, ihre Tiere bestmöglich medizinisch zu betreuen und versorgen zu lassen. Fachliches Wissen in diesem Bereich muss derzeit noch überwiegend nach dem Studium erworben werden. Um die Kleinsäugermedizin voranzubringen, wurde 2018 in Augsburg die Arbeitsgruppe (AG) Kleinsäuger der Deutschen Gesellschaft für Kleintiermedizin (DGK-DVG) gegründet. JUST4VETS hatte die Möglichkeit, die beiden Vorstandsleiterinnen, PD Dr. Kerstin Müller und Dr. Milena Thöle zu interviewen.

Im Jahr 2018 haben sich eine Gruppe von auf Kleinsäuger spezialisierte Tierärzt:innen entschlossen, den fachlichen Austausch voranzutreiben und haben die Arbeitsgruppe Kleinsäuger als Fachgruppe der DVG gegründet.

Auf welche Erfolge können Sie zurückblicken?

PD Dr. Kerstin Müller/Dr. Milena Thöle: Seit 2018 ist unsere zu Beginn noch kleine Arbeitsgruppe auf mittlerweile 292 Mitglieder angewachsen. Unsere Tierarztliste enthält derzeit 69 spezialisierte Heimtierärzt:innen aus Deutschland und Österreich. Neben der Information über sowie der Organisation von heimsäugerspezifischen Fortbildungen und Kongressen bemühen wir uns um den fachlichen Austausch unter kleinsäugerinteressierten Kolleg:innen. Hierzu halten wir unter anderem seit 2022 regelmäßige, gut besuchte Online-Journalclubs zum Thema Otitis sowie zu aktuellen Heimtierpublikationen ab. Weiterhin stehen wir kurz vor der Veröffentlichung von informativen Besitzerflyern zur Auslage in interessierten Praxen, welche mit der Hilfe vieler motivierter Kolleg:innen aus der AG entstanden sind. Seit Oktober 2022 ist die AG Kleinsäuger auch auf Instagram und Facebook zu finden. Bisher wurden 21 Beiträge zu verschiedensten Themen rund um Kleinsäuger gepostet.

Wie zufrieden sind Sie mit dem aktuellen Niveau der medizinischen Versorgung von kleinen Heimtieren in den Tierarztpraxen?

Das aktuelle Niveau der tiermedizinischen Heimtierversorgung variiert stark von Kolleg:in zu Kolleg:in und Praxis zu Praxis. Während sich einige Kolleg:innen voll und ganz den Kleinsäugern verschrieben haben und auf hohem Niveau praktizieren, gelten anderswo die Heimtiere nach wie vor als Stiefkind der Kleintiermedizin, welche „irgendwie“ nebenher mitlaufen. Eine flächendeckende, gute Heimtiermedizin – angefangen bei einer soliden Ausbildung an allen Universitäten – ist daher unser Wunsch, zu dem wir mit unserer Arbeit in der AG beitragen möchten. Weiterhin wünschen wir uns eine bessere Vernetzung der Heimtierspezialist:innen mit den Kleintierpraktiker:innen, damit frühzeitig an spezialisierte Kolleg:innen überwiesen werden kann. Denn Besitzer:innen kommen nicht selten mit weit fortgeschrittenen Krankheitsfällen in unsere Praxen, bei denen auch Spezialist:innen nicht mehr helfen können. Eine frühere fachgerechte Versorgung könnte zu einem positiveren Ausgang beitragen.

Welche Probleme sehen Sie derzeit für die Heimtiermedizin?

Wenn wir über Probleme in der Heimtiermedizin sprechen, sind neben einer oft unzureichenden studentischen Ausbildung, einem Mangel an geeigneten Heimtiermedikamenten, einer im Vergleich zu Hunden und Katzen erheblich geringeren Menge an wissenschaftlichen Daten, fehlende Fördermöglichkeiten für wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich und fehlender flächendeckender Versorgung mit Heimtierspezialist:innen (v.a. im Notdienst) auch die kaum vorhandenen Versicherungsmöglichkeiten für Heimtiere zu nennen.

Wie motivieren Sie zukünftig die Praktiker:innen, sich das nötige Wissen und die Fähigkeiten anzueignen, um kleine Heimtiere evidence based behandeln zu können?

Die Heimtiermedizin ist kein solches Hexenwerk, wie es manchmal erscheint. Viele bereits vorhandene klinische Fähigkeiten können aus der klassischen Hunde- und Katzenmedizin übernommen werden, solange man die speziesspezifischen Unterschiede und Eigenheiten beachtet und sich diesbezüglich weiterbildet. Mit etwas Motivation und Entschlossenheit können schnell die Grundlagen der Heimtiermedizin erlernt und umgesetzt werden. Erfolge in der Behandlung der oft als frustrierend wahrgenommenen Heimtierpatienten und die Dankbarkeit der Besitzer:innen werden dann nicht lange auf sich warten lassen. Tatsächlich müssen wir aber sagen, dass wir von evidence based medicine noch sehr weit weg sind, da die Studienlage das meist gar nicht zulässt. Ein reger Erfahrungsaustausch unter kleinsäugerinteressierten Kolleg:innen, im Rahmen von Kongressen, Weiterbildungen, Journal Clubs und zu anderen Anlässen sind aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer guten tiermedizinischen Versorgung.

Die AG Kleinsäuger lädt auch dieses Jahr anlässlich des DVG-Vet-Congreses zur Fortbildung ein. Auf welche Tehmen dürfen sich die Teilnehmer:innen freuen?

Am Donnerstag, dem 23.11.2023 finden zwei Halbtagseminare statt. Yvonne Eckert und Tina Brezina geben Einblicke in die Weichteilchirurgie bei Meerschweinchen und Kaninchen, Jutta Hein gibt ein Update zur Kleinsäugerendokrinologie. Am 25.11.2023 werden von 08:30 bis 9:30 Uhr Step by Step Anleitungen für verschiedene Kleinsäugerfälle gegeben. Vorträge zum Vorgehen bei inappetenten Kaninchen, Kleinsäugern im Schock und Kaninchen mit Azotämie stehen auf dem Programm. Von 17:00 bis 18:30 Uhr werden Kleinsäugeranästhesie und einige Zusammenfassungen aktueller Publikationen der Kleinsäugermedizin vorgestellt. Es wird sich zudem der Frage gewidmet, ob Heudiät und Aufbauspritze noch zeitgemäß sind.

Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Wir sehen uns in Berlin!

Tierarztliste der AG Kleinsäuger

Auf der nach Postleitzahlen geordneten Tierarztliste der AG Kleinsäuger finden Tierhalter:innen Adressen von Tierärzt:innen, die Mitglieder der AG Kleinsäuger der DGK-DVG sind, durch Zusatzqualifikation und/oder Nachweis von Fortbildungsstunden ihre besondere Qualifikation und Eignung im Kleinsäugerbereich bewiesen haben und ihre aktuellen Fortbildungen alle drei Jahre nachweisen müssen. Die Liste wird monatlich aktualisiert, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da sich nicht alle qualifizierten Tierärzt:innen um Aufnahme in die Liste bemühen.